Editorial

Die Argonauten-Schere

(18.5.16) Während sich die Genome-Editing-Methode CRISPR-Cas scheinbar unaufhaltsam durchsetzt, tüfteln Genetiker schon an noch effektiveren und einfacheren Varianten der Schneideprozedur.
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© fottoo / fotolia

Der Erfolg von CRISPR-Cas9 hat offenbar die Phantasie und die Experimentierfreude der Forscher angeregt. Genetiker basteln jedenfalls an Varianten, die das System wahlweise noch einfacher, noch effizienter oder noch zielgerichteter machen sollen. Denn Cas9 ist nicht die einzige – und vielleicht nicht die beste – Genschere, die man für Zwecke des Genome Editings a la CRISPR einspannen kann.

Im Prinzip funktionieren Editier-Methoden auf CRISPR-Basis alle ähnlich: Eine "Leitsequenz" dirigiert eine Genschere an einen bestimmten Ort im Genom, festgelegt durch die Komplementarität des "Guides". Am Zielort schneidet das Enzym, wodurch z. B. gezielt ein Gen zerstört oder auch eine neue Sequenz eingebaut wird. Bei der derzeit meist verwendeten Variante des CRISPerns heißt diese Genschere Cas9 – eine Nuklease, die mit zwei verschiedenen RNA-Strängen und der RNAse III zusammenarbeiten muss, damit die Schere "scharf" wird.

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Keep it simple

Aber es geht auch anders, einfacher. Vor ein paar Wochen berichteten Forscher des Berliner Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie um die CRISPR-Mitentdeckerin Emmanuelle Charpentier über ihre Arbeit an einer Variante mit einem anderen Enzym: CRISPR-Cpf1 (siehe auch unsere "Life Science Wochenschau" vom 22.4.16 ). Das CRISPR-assoziierte Protein Cpf1 hat ein paar Vorzüge gegenüber der Standard-Schere Cas9: "CRISPR-Cpf1 funktioniert wie ein 'plug and play'-System ohne zusätzliche Komponenten. CRISPR-Cas9 dagegen braucht in seiner natürlichen Umgebung noch einen Assistenten, der das System aktiviert“, erklärt Charpentier. Konkret wandelt Cpf1 den Vorläufer der CRISPR-RNA, die sogenannte pre-crRNA, ohne weitere "Helferlein" in das reife crRNA-Molekül um. Cpf1 schneidet zudem sowohl DNA als auch RNA, was möglicherweise neue Anwendungen möglich macht.

Eine Argonauten-Saga

Eine weitere Genom-Editing-Variante haben nun chinesische Forscher der Hebei University of Science and Technology um Chunyu Han in Nature Biotechnology vorgestellt. Die Chinesen rekrutierten eine andere, schon lange gut bekannte Gen-Schere, die Nuklease Argonaute. Besonders geeignet für ihre Versuche schien den Forschern das Argonaute-Enzym aus Natronobacterium gregoryi (NgAgo).

Ein Unterschied des NgAgo-Systems zu CRISPR-Cas9 ist dabei die Natur der "Guide"-Sequenz, die festlegt, wo im Genom geschnippelt wird. Bei CRISPR-Cas übernimmt eine RNA diese Führungsfunktion. NgAgo lässt sich dagegen von einzelsträngiger DNA zum Zielort leiten – die zudem am 5'-Ende phosphoryliert sein muss.

Das hat einige Vorteile, behaupten die Forscher um Han: Einzelsträngige guide-RNA, wie bei CRISPR-Cas eingesetzt, faltet sich gelegentlich zu unerwünschten Sekundärstrukturen. Das kann dazu führen, dass die Zielerkennung nicht mehr so gut klappt. Besonders lästig ist diese hemmende Faltenbildung bei CG-reichen Regionen. Einzelsträngige DNA dagegen ist weniger anfällig für solche Verknotungen. NgAgo könnte also vielleicht auch bei schwierigen Zielsequenzen funktionieren, an denen CRISPR-Cas scheitert.

NgAgo: Zielgenau und pingelig

Ein weiterer Vorteil des Argonauten-Systems könnte eine höhere Zielgenauigkeit der Schneideattacke sein. Denn NgAgo kooperiert nur mit einzelsträngiger Guide-DNA, die am 5'-Ende phosphoryliert ist – und diese Spezies kommt natürlicherweise in der Zelle offenbar selten vor. Die Gefahr, dass die vom Experimentator bestimmte Guide-DNA in der Zelle zufällig gegen eine andere Guide-Sequenz ausgetauscht wird (und damit Off-Target-Effekte verursacht) ist daher gering.

Zudem ist NgAgo pingelig, was die Übereinstimmung zwischen "Guide" und"Target" angeht. Schon eine einzige Abweichung in der Nukleotidsequenz verringert die Effizienz der Prozedur, und ab drei Nukleotiden Unterschied zwischen Vorlage und Ziel schneidet NgAgo überhaupt nicht mehr. Auch diese Eigenheit könnte also unerwünschte Nebeneffekte verringern.

Aber bisher sind das alles eher vorläufige Daten. Ob sich daraus ein ebenso massen-taugliches Tool basteln lässt wie das universelle CRISPR-Cas, muss sich noch zeigen. Der amerikanische Stammzellforscher Paul Knoepfler (UC Davis), der auf seinem Blog "The Niche" kurz über das Paper berichtet, schätzt die Sache so ein:

"NgAgo könnte ein geordneterer und vielleicht auch einfacherer Weg für das Genome Editing sein. Aber das Verdikt darüber steht noch aus, bis es mehr Paper und Daten gibt".

 

Hans Zauner

 

 



Letzte Änderungen: 27.07.2016