Editorial

"Man schwitzt sowieso"

(19.9.16) Die Arbeit im Sicherheitslabor ist auch eine ergonomische Herausforderung – wie Susanne Talay, Leiterin der S3-Labore des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), im Interview erzählt. (Siehe dazu auch das Special "Laborsicherheit & Ergonomie" in unserer aktuellen Printausgabe.)
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In Schutzausrüstung an der Sicherheitswerkbank
© Susanne Talay

In S3-Laboren arbeiten Forscher mit Erregern schwerer Krankheiten, gegen die es keine wirksamen Vorbeugungs- und Behandlungsmaßnahmen gibt. Entsprechend „dicht“ sind die Laboranlagen gegenüber der Außenwelt abgeschlossen. Ebenso klar ist, dass bei der Arbeit in solchen Anlagen Schutzanzüge und Atemschutzmasken getragen werden müssen – was das Experimentieren logischerweise anstrengender und langwieriger macht als im „normalen“ Alltagslabor. Nach den Sicherheitsvorkehrungen haben daher auch ergonomische Überlegungen eine hohe Priorität. Laborjournal sprach darüber mit Susanne Talay, Mikrobiologin und Leiterin der 2013 in Betrieb genommenen S3-Labore des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.

 

Laborjournal: Mit welchen Erregern arbeiten Sie und ihre Kollegen in den S3-Laboren am HZI?

Talay: Hauptsächlich arbeiten wir in der Anlage derzeit mit hochpathogenen Vogelgrippeviren, mit HI-Viren, Enterohämorrhagischen E. coli (EHEC) und Hepatitis-C-Viren, sowie mit Dengue- und Zika-Viren. Dazu kommen noch durch Zecken übertragene Viren, die Gehirnentzündungen verursachen – sogenannte Tick-borne-encephalitis-Viren , oder kurz TBEVs.

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Wie haben Sie die Schutzanzüge gestaltet, um die Arbeit im S3-Labor zu erleichtern?

Talay: Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie einengend und schweißtreibend dicke Schutzanzüge und Gummistiefel sind. Daher haben wir am HZI leichte Overalls aus Fallschirmspringerseide als Schutzkleidung gewählt, die mit dünnen Einmal-Schlachterschürzen kombiniert sind. Zudem benutzen wir Nitril-Handschuhe, die mit dem Anzug verklebt werden. Für Arbeiten an der mikrobiologischen Sicherheitswerkbank verwenden wir zusätzlich locker sitzende Armstulpen bis zum Ellbogen. Als Schuhwerk haben wir bequeme Birkenstock-Schuhe und Plastikfolien-Überziehstiefel.

Beim Atemschutz haben wir uns für Gebläse-unterstützte Atemschutzgeräte am Gürtel entschieden. Sie filtern die Raumluft über einen Partikelfilter und blasen sie dann in eine Leichthaube, die nicht einengend ist und 180° Blickfreiheit bietet. Partikelfiltrierende Halbmasken, sogenannte FFP3-Masken, benutzen wir nur für kurze Einsätze in der Anlage, da sie einen hohen Atemwiderstand haben und die Tragzeit daher auf zwei Stunden begrenzt ist. Da man in den Schutzanzügen ohnehin schneller schwitzt, haben wir auch eine Klimaanlage.

Welche ergonomischen Aspekte haben Sie bei der Ausstattung und Einrichtung der Labore berücksichtigt?

Talay: Die Labore und die Schleuse sind geräumig und sehr übersichtlich. Wir haben auch viele große Fenster eingebaut, die sich zwar nicht öffnen lassen, aber der Anlage ein helles und luftiges Erscheinungsbild geben, sodass man sich nicht wie in einem Bunker vorkommt. Zusätzlich zu Deckenflutern und Werkbank-Beleuchtungen haben wir an den Arbeitsflächen Lichtleisten für mehr Helligkeit angebracht, um auch bei aufgesetzter Leichthaube gut sehen zu können.

Da wir unsere aerosoldichten Zentrifugen-Rotoren nur unter der Sicherheitswerkbank öffnen dürfen, benutzen wir Zentrifugen mit sehr langen Kabeln. Diese fahren wir auf 60 bis 70 Zentimeter hohen Trolleys direkt an die Werkbank heran. So können die Mitarbeiter die Rotoren rückenschonend in die Sicherheitswerkbank heben, ohne sich bücken zu müssen. Die größeren Rotoren bestehen aus Kohlefaser oder Aluminium und sind besonders leicht und autoklavierbar. Für die Massenpipettierungen haben wir einen Roboter. Außerdem benutzen wir Multistep-Pipetten und elektronische Pipetten, um das Pipettieren zu erleichtern.

Welche Besonderheiten haben Sie für die Mikroskoparbeit beachtet?

Talay: Wir haben kürzlich ein okularfreies Fluoreszenz-Mikroskop bestellt. Dieses wollen wir als fahrbare Mikroskopierstation einrichten. Derzeit haben wir zwei Mikroskope mit Okularen im S3-Bereich. Zum Suchen der Startebene muss man bei diesen allerdings durch die Okulare schauen, ausgestattet mit Schutzbrille und FFP3-Maske. Danach kann man sich das Bild auf einem Monitor anzeigen lassen.

Für die Auswertung haben wir separate Arbeitsplätze außerhalb des S3-Bereichs, wo die Mitarbeiter in Ruhe ihre Bilder analysieren können, gegebenenfalls auch mit Brötchen und Kaffeetasse. Das dauert ja in der Regel wesentlich länger als die eigentlichen Aufnahmen. Die Mikroskopdaten sind über das Computernetzwerk in allen Räumen des Instituts zugänglich. Im S3-Labor kann das wissenschaftliche und technische Personal auch Protokolle und Dateien über das Computernetzwerk einsehen. An den Computern im S3-Bereich sind desinfizierbare Silikon-Rolltastaturen angeschlossen. Es ist sogar erlaubt, Zettel mit Notizen zu verwenden. Sie dürfen das S3-Labor aber nur autoklaviert verlassen und werden daher vorher mithilfe eines Scanners eingescannt.

Wie sieht es beim Umgang mit Zellkulturen und Proben aus?

Talay: Wir haben strikte „Standard Operating Procedures“, um sicheres und angenehmes Arbeiten zu gewährleisten. Zellkulturschalen, bei denen die Deckel nur aufliegen, dürfen nur auf Tabletts auf einem Laborwagen zwischen Sicherheitswerkbank und Inkubator transportiert werden. Nach dem Öffnen des Inkubators müssen die Tabletts beidhändig in den Inkubator überführt oder daraus entnommen werden. Die Inkubatoren können bei versehentlichem Überschwappen der Zellkulturschalen auch mit Wasserdampf sterilisiert werden, bevor man den Inkubator weiter reinigt. Die Proben im Gefrierlager haben einen neunstelligen Barcode und werden über ein elektronisches Probenerfassungsprogramm archiviert. Mithilfe eines Scanners kann jede Probe sicher identifiziert und per Mausklick all deren Eigenschaften abgerufen werden. Jede Gruppe hat über das Computernetzwerk nur Zugriff auf ihre eigene Probensammlung.

Auf was mussten Sie bei den Labormöbeln achten?

Talay: Wir haben festgestellt, dass bei angelegten Atemschutzgeräten verstell- und rollbare Laborhocker bequemer sind als Laborstühle. Wenn FFP3-Masken getragen werden, lassen sich auch die verstell- und rollbaren Laborstühle benutzen.

Welche weiteren Maßnahmen haben Sie ergriffen, um die Arbeit unter S3-Bedingungen angenehmer und sicherer zu gestalten?

Talay: Die Arbeit im S3-Labor benötigt etwa doppelt so viel Zeit wie im Alltagslabor. Ich bespreche das immer wieder mit den Abteilungsleitern, damit sie ihre Mitarbeiter nicht zu sehr drängen. Das geht sonst auf Kosten der Sicherheit. Die Arbeit im S3-Labor erfordert auch sehr viel Konzentration. Direkt vor der Personenschleuse haben wir deshalb für die Pausen Aufenthaltsräume und auch Toiletten eingerichtet. Falls jemand im S3-Labor ohnmächtig wird, wird dies über ein spezielles Handy, einen sogenannten Totmannmelder, signalisiert, sodass schnell Hilfe kommt.

Bettina Dupont



Letzte Änderungen: 30.09.2016