Editorial

Es war einmal ein Königinnen-Protein...

(14.10.16) So was ärgert: Erst lobt man ein Paper – und dann stellt sich heraus, dass dessen Ergebnisse nicht reproduzierbar sind. Genau dies ist uns mit der Geschichte um das „Bienenköniginnen-Protein" Royalactin passiert.
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Vor gut fünf Jahren veröffentlichte Nature ein „Single-Author“-Paper des Japaners Masaki Kamakura vom Biotechnology Research Center in Toyoma. In diesem verkündete er, wie er das Protein Royalactin als den entscheidenden Faktor in den Spezialmahlzeiten identifizierte, mit dem eine bestimmte Bienenlarve zur Königin hochgefüttert wird. Es erschien uns sofort als eine selten schöne Studie, weswegen wir damals in unserem Laborjournal Blog dazu schrieben:

„Es ging um die Frage, wie die Bienenkönigin zur Bienenkönigin wird. Diese unterscheidet sich in ihrer Genomsequenz kein bisschen von den Arbeiterinnen ihres Stocks – und wird dennoch so sehr anders. Das Geheimnis ist ihre Ernährung. Drei Tage lang bekommen die frisch geschlüpften Larven einen Kraftmix aus Proteinen, Zucker, Fetten und Vitaminen, den die Arbeiterinnen ordentlich mit eigenen Drüsensekreten aufpeppen. Danach jedoch werden die künftigen Arbeiterinnen auf ein schlichtes Mahl aus Honig, Pollen und Wasser gesetzt, während die angehende Königin weiterhin „Gelee Royal“ schmausen darf. Mit den bekannten Folgen.

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Was jedoch ist drin in diesem „Gelee Royal“, dass es ein und dieselben Gene so „königlich“ anders orchestriert? Ein Japaner namens Masaki Kamakura vom Biotechnology Research Center in Toyoma hat das „gewisse Etwas“ nun gefunden. Und das auf recht einfache Weise. Er verwahrte Gelee Royal bei konstanten 40 Grad und prüfte, wie lange dessen „Königin-machendes“ Potential erhalten blieb. Und siehe da, nach dreißig Tagen bei 40 Grad waren die „königlichen“ Eigenschaften des Gelees dahin.

Nachdem Kamakura dies wusste, schaute er sich vor allem mit HPLC […] an, wie sich die Zusammensetzung des Gelee Royals bei 40 Grad über die gleiche Zeit änderte. Und da die meisten Gelee-Komponenten schon vorher abgebaut wurden, konnte er nach dreißig Tagen tatsächlich ein prominentes 57kDa-Protein als „Königinnen-Protein“ identifizieren. Witzigerweise hatte er dieses bereits zuvor in anderem Zusammenhang beschrieben und Royalactin genannt.

Die nachfolgenden Tests lieferten dann ein eindeutiges Bild: Gelee Royal ohne Royalactin „machte“ keine Königinnen — und bestimmte Drosophila-Mutanten, denen sowohl Gelee Royal oder Royalactin alleine gefüttert wurde, wurden daraufhin größer und fruchtbarer und lebten länger. Schaltete Kamakura allerdings in den Fliegen den Epidermal Growth Factor-Rezeptor (Egfr) aus, blieb dort der Roaylactin-Effekt aus. Sein Fazit daher: Royalactin wirft das „Königin-Programm“ über den Egfr-Signalweg an.“

Klingt doch eigentlich ziemlich solide. Und hatte damals ja wohl immerhin auch Reviewer und Editor bei Nature überzeugt. Allerdings, es scheint nicht zu stimmen. Ende September veröffentlichte wiederum Nature die Widerlegung von Kamakuras Ergebnissen. Und diese titelten die Autoren Anja Buttstedt, Christian H. Ihling, Markus Pietzsch und Robin F. A. Moritz von der Uni Halle unmissverständlich klar mit „Royalactin is not a royal making of a queen“.

„Die Studie hatte Bienenforscher weltweit überrascht“, so Robin Moritz, über dessen Gruppe in der halleschen Zoologie wir erst vor einem Jahr in Laborjournal 10/2015 berichteten. Und so richtig glauben wollte er ihr anscheinend auch nicht. Jedenfalls drängte es ihn und seine Mitarbeiterin Anja Buttstedt, die japanischen Ergebnisse zusammen mit denn beiden Pharmazeuten Ihling und Pietzsch zu überprüfen. Und wie gesagt, am Ende kam alles ganz anders heraus. Die zugehörige Pressemitteilung der Universität Halle beschreibt die Ergebnisse der Autoren folgendermaßen:

„Die Gruppe erstellte, wie Kamakura, ein bereinigtes Gelée royale ohne Royalactin und fütterte dieses an Larven im Labor. Eine Kontrollgruppe erhielt Futter, das wieder künstlich mit Royalactin angereichert wurde. Das Ergebnis: «Weder mit dem bereinigten, noch mit dem angereicherten Larvenfutter haben wir besondere Abweichungen bei der Kastenbestimmung von Arbeiterinnen und Königinnen erzielt», so Buttstedt. Auch ohne Royalactin wuchsen aus den Larven Königinnen heran. Wurde das Larvenfutter zusätzlich mit Royalactin angereichert, erhöhte das die Zahl der Königinnen nicht.

Im Gegensatz zu Kamakura haben die halleschen Forscher bei ihren Experimenten viele sogenannte Interkasten erhalten, also Bienen mit Eigenschaften von Arbeiterinnen und Königinnen. Diese seien, so Buttstedt, in der Natur zwar sehr selten, in Laborversuchen jedoch typisch und methodisch unvermeidbar. Die Ergebnisse der halleschen Forschergruppe bestätigen die zahlreichen anderen Studien zur Kastenbildung, die in den vergangenen Jahrzehnten von vielen Forschergruppen durchgeführt wurden. Die Rolle des Royalactins im Gelée royale bleibt daher zunächst eher unspektakulär: eine von vielen Eiweißquellen in der Nahrung für Bienenlarven.“

Ziemlich klare Sache, also. So klar, dass sie offenbar erneut Reviewer und Editor bei Nature überzeugte – und das Edelblatt am Ende zu etwas veranlassten, was Edelblätter in aller Regel nur äußerst ungern tun: Ein Paper zu veröffentlichen, das einen Artikel widerlegt, den das Blatt zuvor selbst veröffentlicht hat.

Dennoch macht eine Schwalbe bekanntlich noch keinen Sommer. Und deshalb sollte man aus diesem Einzelfall auch nicht gleich folgern, dass Nature seine bis dahin eher ablehnende Haltung zur Publikation rein negativer und/oder widerlegender Resultate jetzt grundsätzlich geändert hat. Dazu bedürfte es schon eher eines Zeichens wie etwa dasjenige vom American Journal of Gastroenterology, das von jetzt ab regelmäßig eine komplette Ausgabe explizit als „The Negative Issue“ herausbringen will.

Aber sorry – das ist natürlich schon der Beginn einer neuen Geschichte...

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 04.11.2016