Editorial

Was man beim Publizieren so erleben kann (2)...

(31.10.16) Wie ein Verlag partout nicht zugeben wollte, dass er bei einem Manuskript einen Fehler gemacht hatte – und damit bewusst riskierte, den Ruf der Autoren zu beschädigen.
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(Die folgende „Story“ erzählen wir aus triftigen Gründen ohne konkrete Namen, hat sich vor kurzem aber genau so ereignet.)

Eines Tages erhielt ein Physiologie-Professor die Einladung eines bestimmten Journals, einen umfassenden Review über sein Fachgebiet zu schreiben. Tatsächlich war er einer der Wegbereiter dieses gesamten Gebiets, dem sich mittlerweile auch eine ganze Menge anderer verschrieben hatten. Auf den Review hatte er zu dieser Zeit jedoch nicht die rechte Lust. Trotzdem stimmte er zu.

Zwei Monate später waren er und seine Koautoren fertig mit dem Werk. Und zu seiner eigenen Überraschung war er sehr zufrieden. Ja, er hielt es am Ende gar für eines der besten Stücke, das er bislang als Autor gezeichnet hatte. Glücklich schickte er also das Manuskript an den Verlag.

Insgesamt forderten die Reviewer zwei Runden an Revisionen. Kein Problem für unseren Professor – er kannte das Geschäft lange genug und wusste, dass das eben mal so lief. Schließlich waren seine Manuskripte ja auch gar nicht selten wirklich besser geworden auf diese Art. „Peer Review at its best“, hatte er dann öfter gedacht.

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Das Vorab-Paper stand also mit den Fehlern im Internet

Doch dann liefen die Dinge schief. Bevor er und seine Koautoren überhaupt auf die zweite Runde an Revisions-Vorschlägen geantwortet hatten, veröffentlichte das Journal das unfertige Manuskript plötzlich „online ahead of print“ auf seiner Webseite. Ohne vorherige Ankündigung, geschweige denn irgendwie durch die Verfasser autorisiert.

Für unseren Professor war das eine mittlere Katastrophe. Denn die Gutachter der zweiten Runde hatten tatsächlich – und glücklicherweise eigentlich – noch zwei größere Fehler bemerkt. Doch die waren noch gar nicht korrigiert, als die „vorläufige“ Version jetzt plötzlich online erschien. Das Vorab-Paper stand jetzt also mit den Fehlern im Internet!

Unser Professor hatte keine Ahnung, wie das Journal überhaupt darauf kommen konnte, dies zu tun. Verärgert fragte er beim Verlag nach und fügte das inzwischen vollends korrigierte Manuskript gleich mit hinzu – mit dem Hinweis, dass die vorab online publizierte Version schnellstmöglich durch diese ersetzt werden müsse. Doch nichts passierte.

Unser Professor erklärte den Editoren also nochmals ausführlich die Gründe für sein Anliegen, bevor er am Ende seines Schreibens wiederum mit deutlichen Worten den dringenden Austausch der Online-Publikation forderte. Als Antwort bekam er jedoch lediglich die Floskel, dass die Veränderung eines bereits „publizierten“ Artikels zum einen jeglichen Veröffentlichungsstandards widersprechen würde – und andererseits auch technisch (?) gar nicht möglich sei.

Trotzdem versuchte unser Professor weiterhin zu retten, was schon fast nicht mehr zu retten war. Er schlug vor, statt dem Austausch des Online-Artikels eine entsprechende Notiz anzufügen – und die korrigierten Versionen der beiden fehlerhaften Darstellungen in einem speziellen Supplement an das Online-Paper anzuhängen.

Das Journal ignorierte alle konstruktiven Vorschläge

Das Journal hatte jedoch bereits auf „Stur“ geschaltet und ignorierte den Vorschlag. Stattdessen erhielt unser Professor einige Wochen später eine Mail, in welcher der Verlag ankündigte, die fehlerhafte Online-Version demnächst auch Eins zu Eins im Heft drucken zu wollen. Falls die Autoren damit nicht einverstanden seien, so hieß es in dem Schreiben weiter, könne der Verlag vom Druck nur dann absehen, wenn die Autoren die bereits online veröffentlichte Vorab-Publikation offiziell zurückziehen. In jeglichem anderen Fall würden die Autoren damit akzeptieren, dass der Online-Artikel unverändert im Heft erscheint – genauso wie sie akzeptieren würden, dass der Verlag bei Drucklegung keinerlei Erklärung abgeben werde, dass die Autoren nicht verantwortlich für etwaige Fehler in der Veröffentlichung seien.

Womit die Katze eigentlich aus dem Sack war: Das Journal hatte einen Fehler gemacht – wehrte sich aber mit allen Mitteln dagegen, diesen öffentlich zugeben zu müssen. Lieber lässt der Verlag die Fehler in der Öffentlichkeit stehen; und spekuliert, dass die wenigen, denen die Fehler überhaupt auffallen, die Schuld erst einmal bei den Autoren suchen. Soviel zum Thema Journals als „Gatekeeper“ der Wissenschaft.

„Ja, das ist der wahre Skandal“, erregte sich unser Professor in einer seiner E-Mails an Laborjournal. „Mit der Unterzeichnung eines Papers als verantwortlicher Autor lege ich meine Reputation mit in die Waagschale. Genau deswegen ist es doch so wichtig, dass der Verlag die Wahrheit sagt und zugibt, dass er den entscheidenden Fehler gemacht hat: Damit der Ruf der Autoren nicht unverschuldet leidet. Aber sie lehnen es einfach ab. So können sie doch ihre Autoren nicht behandeln! Immerhin waren wir es doch, die ihnen das Privileg verschafften, einen ziemlich außergewöhnlichen Review zu veröffentlichen... Das ist so enttäuschend, so ein Albtraum... "

(Vom Verlag erhielt Laborjournal auf Nachfrage nach dessen Sicht der Sache lediglich die Antwort, dass man doch in der ganzen Angelegenheit mit den Autoren kooperiere – was bei diesen verständlicherweise ungläubiges Kopfschütteln auslöste. Ansonsten wolle man darüber nicht öffentlich diskutieren.)

Zu welchem Ende die Geschichte schließlich kam – ob der Professor und seine Koautoren sich den Bedingungen des Verlags unterwarfen, ob sie die Publikation offiziell zurückzogen oder ob es ganz am Ende doch noch einen zufriedenstellenden Kompromiss gab – ist Laborjournal bisher leider nicht bekannt.

Wer unter unseren Lesern allerdings einen konkreten Verdacht hat, um welchen Verlag es sich in dieser Angelegenheit handeln könnte, darf uns diesen gerne unter redaktion@laborjournal.de mitteilen.

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 20.11.2016