Editorial

Eine kleine Träumerei über das Publizieren

(7.11.16) Drehen wir den Spieß einmal um: Wie wäre es, wenn die Journals um die Autoren werben müssten – und nicht umgekehrt?
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© Rafael Flores

Sicher, das gute, alte Research Paper wird es im herkömmlichen Sinne irgendwann nicht mehr geben. Der Weg geht klar dorthin, dass Forschungsergebnisse eines Tages generell und frei zugänglich („Open Access“) auf großen Online-Plattformen veröffentlicht werden – ob mit Prä- oder Post-Publication-Peer-Review (oder vielleicht gar nix davon), ob mit oder ohne sämtlichen Rohdaten, ob weiterhin in fertige „Stories“ verpackt oder jeweils unmittelbar als Open Data in Open Science Clouds hochgeladen,...

Doch der Übergang gestaltet sich gerade zäh wie ein durchgekauter Kaugummi – und so scheint es, als würde die Mehrheit der Resultate doch noch eine ganze Weile via Artikel in diskreten Journals mitgeteilt werden. Nicht nur deshalb lohnt es sich, mal die folgende kleine Träumerei durchzuspinnen, wie das Publizieren in dem Markt der wissenschaftlichen Journals – ob print oder online – womöglich besser laufen könnte...

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Drehen wir dazu den Spieß doch einfach mal um. Stellen wir uns vor, die Autoren schicken lediglich eine kurze Übersicht ihrer Ergebnisse an eine ganze Reihe geeigneter Journals – um erstmal zu prüfen, welche davon im Einzelnen tatsächlich bereit wären, am Ende die ganze Geschichte zu veröffentlichen. Schon hier müssen die Editoren der einzelnen Journals folglich ihr ernstes Interesse an der jeweiligen „Story“ bekunden – und weiterhin die Autoren überzeugen, warum gerade ihre Zeitschrift die beste Wahl für die endgültige Publikation sei. Das heißt, sie müssen mit ihrem Journal um die Gunst der Autoren werben – und nicht umgekehrt die Autoren um die Gunst der Journals, wie es seit langem bis heute üblich ist.

Die Autoren wählen dann aus den Bewerbungen der Editoren ihre zwei oder drei Favoriten aus und schicken ihnen das komplette Manuskript zu. Und wenn die Editoren daraufhin immer noch (oder erst recht) sagen: „Ja, wir würden es als unser Privileg betrachten, Ihren Artikel zu veröffentlichen“ – dann entscheiden die Autoren, welcher Zeitschrift sie dieses Privileg tatsächlich gewähren wollen.

Und was wäre mit dem Peer Review?

Sicher könnte man die Manuskripte vor der Veröffentlichung einer weiteren Begutachtungsrunde unterziehen. Dies allerdings nicht mit dem Ziel zu prüfen, ob man es überhaupt für eine Veröffentlichung annehme – das ist ja durch die Bewerbung um das Paper bereits geschehen. Nein, allerhöchstens um noch die eine oder andere Verbesserung vorzuschlagen.

Allerdings würden die meisten Zeitschriften, da sie sich ja bereits erfolgreich um die Publikation beworben hatten, wohl eher bevorzugen, die endgültigen Versionen der Autoren unmittelbar zu veröffentlichen – und damit jedermann die Möglichkeit geben, das Paper gleich nach Erscheinen zu kommentieren und zu diskutieren. Im Grunde also das, was sowieso schon als Post-Publikation-Peer-Review propagiert wird.

Klingt gut insgesamt, nicht wahr? Aber es bleiben Zweifel, ob es auf diese Art funktionieren könnte, oder? Also noch mal eintauchen in unseren Traum...

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine wirklich hervorragende Entdeckung zu verkaufen. In diesem Fall würden sich nach obigem Schema alle Zeitschriften förmlich überschlagen, um Ihr Paper zu veröffentlichen. Und wem würden Sie schließlich Ihre Gunst gewähren? Genau – der Zeitschrift, die Ihnen den besten Service bietet.

Was in diesem Modell also resultiert, ist, dass den Journals viel stärker bewusst sein muss, dass tatsächlich sie die Dienstleister sind und der Wissenschaftler deren hochverehrter „König Kunde“. Sie müssen um die Autoren werben und sie bestmöglich bedienen – und nicht umgekehrt. Und sie müssen die Forscher auf die nettestmögliche und entgegenkommendste Art behandeln, um sie letztlich von der Qualität ihrer Dienste zu überzeugen. Andernfalls riskieren sie ernsthaft, ganz schnell vom Markt gefegt zu werden.

So weit die Träumerei. Und jetzt wachen wir wieder auf...

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 24.11.2016