Editorial

Proteinpreise für Nachwuchsforscher

(19.1.17) Wissen Sie, wer Rainer Rudolph war und wie man mit recht wenig Aufwand einen 1000-Euro-Wissenschaftspreis gewinnen kann? Falls nicht: Bitte hier weiterlesen!

Es gibt Menschen, die haben einen ein halbes Leben lang begleitet, und trotzdem hat man sie nie persönlich getroffen. Ivo Batic und Franz Leitmayr vom Münchener Kriminalfachdezernat 1 zum Beispiel. Gandalf der Graue und Samweis Gamdschie auf ihren Reisen durch Mittelerde. Gerhard Polt. Goofy. Mark Knopfler, der wohl versierteste Gitarrist aller Zeiten. Und Baby Schimmerlos, natürlich, das heimliche Vorbild aller Enthüllungsjournalisten.

Auch Rainer Rudolph habe ich persönlich nie getroffen. Ich kannte ihn nicht, er kannte mich nicht, und das war mir auch ziemlich egal. Dennoch war der in Regensburg sagenumwobene Proteinbiochemiker Rainer Rudolph (1949-2009) während meiner dortigen Nachwuchsforscher-Jahre allgegenwärtig – speziell ab 1994, als ich am Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenphysiologie eine eher mittelmäßige Diplomarbeit anfertigte, und erst recht ab 1995, als ich nur ein paar Labortüren weiter einen erträglich bezahlten Halbtagsjob als Ganztagsdoktorand im Schleimpilz-Business annahm: Dauernd stolperte man an der bayerischen Donau-Universität über den Namen des Wissenschaftlers von der Saale – mal wurde per Aushang zum Gastvortrag eines Rudolph-Mitarbeiters eingeladen, mal erzählte man sich von einem weiteren Regensburger Postdok, der zu Rudolphs Gruppe nach Sachsen-Anhalt gewechselt war. Mir war das alles wurst – Physarum wollte nicht wachsen, die universitäre Büroausstattung (kreuzlahme 386er-Rechner!) war zum Heulen, und die altersschwache FPLC-Anlage zickte ohne Ende – und dennoch beschlich mich beizeiten das dumpfe Gefühl, ich sollte diesen ominösen Professor aus Halle eigentlich kennen. Oder zumindest dessen Forschung.

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Regensburger Proteinfalter

Die Räumlichkeiten im ersten Stock der Regensburger Naturwissenschaftlichen Fakultät III gehörten damals (zwischen 1970 und 1999) zu Rainer Jaenickes Reich, der im grauen Rollkragenpulli (er muss mindestens ein dutzend davon besessen haben - oder waren es genau zwei, die abwechselnd von seiner Frau gewaschen wurden?) durch die Gänge seines Lehrstuhls für Biochemie huschte, auf dem Weg zu und von der Ultrazentrifuge, in der er Peptidfragmente auftrennte und mit den daraus erhaltenen Daten die Chaperon-unterstützte Faltung von Proteinen erforschte. Für meinen Geschmack war Jaenicke zu unverbindlich und hektisch - aber in der Vordiplomprüfung war er überaus fair zum vor ihm schwitzenden, nicht besonders gut vorbereiteten Bio-Studenten gewesen und so kann ich bis heute nichts Nachteiliges über ihn sagen.

(Rainer) Jaenicke, vor wenigen Monaten mit 85 Jahren verstorben, war der jüngere Bruder des Kölner Biochemikers und Biospektrum-Gründers Lothar Jaenicke (1923-2015) sowie Vater des in der Öffentlichkeit weit bekannteren Schauspielers Hannes Jaenicke. Letzterer ist seit Jahren Dauergast in TV-Talkshows und jettet pausenlos mit dem Flugzeug um den Erdball, um dessen bedrohte Natur zu schützen und die Welt zu retten.

Zurück zu Rainer Rudolph. Dieser promovierte 1978 beim Regensburger Rollkragenpullifetischisten Rainer, leistete seine naturwissenschaftlichen Pflichtjahre in den USA ab und habilitierte sich, nach Europa/Regensburg zurückgekehrt, im Jahr 1984. Drei Jahre später wechselte er zu Boehringer Mannheim (heute Roche Diagnostics) und machte dort bei weit besserer Bezahlung, was er zuvor bereits an der Uni Regensburg unter Jaenicke gemacht hatte: Er erforschte die Faltung von Proteinen. 1994 schließlich wurde Rudolph an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg berufen, kehrte also aus der Industrie an die Akademie zurück, und baute im Sachsen-Anhalt der Nachwendezeit einen Lehrstuhl für Technische Biochemie auf.

Gründung der Scil Proteins GmbH…

Doch falls jemand gedacht hatte, Rudolph würde sich nun brav den üblichen akademischen Gepflogenheiten („Industrienähe ist Teufelszeug!“) unterwerfen, sollte sich täuschen. Denn der frischgebackene Ordinarius kannte nun ja beide Seiten der Forschung, und er hatte inzwischen zudem beste Verbindungen zur Industrie. Und so war Rudolph einer der wenigen Professoren, die schon damals kein Problem darin sahen, gleichzeitig als öffentlich bestallter Akademiker und als Privatunternehmer tätig zu sein: Er gründete gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Ulrike Fiedler 1999 die Scil Proteins GmbH und machte seine an der Uni gefundenen wissenschaftlichen Resultate nicht nur der Fachwelt bekannt, sondern ließ sie auch parallel in die Entwicklung proteinbasierter Medikamente fließen.

Offensichtlich höchst erfolgreich: Eine Scil-Schwesterfirma mit 80 Mitarbeitern, spezialisiert auf die Entwicklung rekombinanter Proteine, wurde 2013 „für einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag“ an die Wacker Chemie AG verkauft, während die ursprüngliche Scil Proteins GmbH als industrielles Erbe des Biochemikers Rudolph nunmehr bereits im 18. Jahr mit ebenfalls einigen dutzend Mitarbeitern in Halle aktiv ist.

… und einer gemeinnützigen Stiftung

Im Mai 2011, zwei Jahre nach Rudolphs frühem Tod, gründeten Freunde, Wegbegleiter, ehemalige Kollegen und Mitarbeiter die gemeinnützige Rainer-Rudolph-Stiftung – mit dem Ziel, „das Wirken von Rainer Rudolph als wissenschaftlich herausragenden und international führenden Proteinbiochemiker zu würdigen sowie junge Talente der Proteinforschung zu fördern“. In der Stiftungssatzung steht ferner, man wolle damit „das Anliegen von Rainer Rudolph fortsetzen, universitäre und industrielle Forschung zu verbinden und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Anwendung zu überführen“.

Ende 2016 war es mal wieder soweit: Die Rainer-Rudolph-Preise des abgelaufenen Jahres gingen für ihre „außerordentlichen Leistungen in Proteinbiochemie und Biotechnologie“ an drei Nachwuchswissenschaftler:

- Sebastian Hauke von der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg wurde für seine Masterarbeit „über die Fluoreszenzmarkierung von Proteinen für hochauflösende bildgebende Analysen in lebenden Zellen“ ausgezeichnet;

- Tycho Mevissen vom MRC Laboratory of Molecular Biology der britischen Universität Cambridge erhielt den Preis „für die Aufklärung der Spezifitäten und der molekularen Mechanismen humaner Desubiquitinasen“ im Rahmen seiner Doktorarbeit; und

- Stefan Zielonka von der TU Darmstadt für seine Doktorarbeit“ über die Entwicklung und Optimierung hochaffiner Bindungsproteine auf der Basis von Antikörpern aus dem Immunsystem von Haifischen“.

Laborjournal gratuliert den drei Gewinnern.

Neue Runde: Bewerbungsfrist läuft Ende März 2017 ab!

Wer sich für 2017 um einen Rainer-Rudolph-Preis bewerben möchte, der muss sich sputen. Die vollständigen Bewerbungsunterlagen müssen bis zum 31.03.2017 bei info@rainer-rudolphstiftung.de eingegangen sein. Auf der Stiftungs-Website www.rainer-rudolph-stiftung.de findet sich alles zur Bewerbung Wissenswerte.

Vorab ist zu sagen: Bei der Auswahl der Preisträger spielt die Verbindung von Grundlagenforschung und Anwendung eine wichtige Rolle; ausgezeichnet werden laut Satzung „herausragende Abschlussarbeiten auf dem Gebiet der Proteinforschung“. Also Master-Arbeiten, Dissertationen und so weiter. Das Preisgeld ist mit je Preisträger 1000 Euro nicht besonders hoch, doch andererseits hält sich der benötigte Aufwand in Grenzen – und irgendeinen Preis sollte man schon vorweisen können als jungdynamischer, ehrgeiziger Nachwuchsstar der Wissenschaft. Warum also nicht einen Rainer-Rudolph-Preis? Und bis zur Verleihung wissen Sie als Gewinner dann hoffentlich auch mehr über den Namensgeber als der Autor dieser Zeilen während seiner Regensburger Forschungszeit. Gutes Gelingen!

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 07.02.2017