Editorial

Do-It-Yourself-Biologie im juristischen Kreuzfeuer

(27.3.17) Der Do-It-Yourself-Gentechnik-Kit einer US-Firma kann nicht nur Konflikte mit dem Gentechnikgesetz bringen, sondern auch mit dem Infektionsschutzgesetz. Der Grund: Er enthält pathogene Bakterien.
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© Perception7 / iStockphoto

Mit den neuen Verfahren des Genome Editing, allen voran der CRISPR-Cas9-Technik, ist das gezielte gentechnische Verändern lebender Organismen einfach und billig geworden. Nicht verwunderlich daher, dass inzwischen einige kommerzielle Hersteller entsprechende Gentechnik-Kits anbieten – auch für das Heimlabor des selbsternannten Do-It-Yourself-Biologen.

Ende Januar meldete sich daher das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zu Wort – und veröffentlichte eine Meldung mit dem Titel: „Gentechnik mit Biologiebaukästen: Einfach, aber möglicherweise strafbar“ (wir berichteten bereits darüber im Laborjournal Blog). Ausdrücklich warnt es darin, dass das gentechnische Arbeiten mit sogenannten „Do-It-Yourself-“, oder kurz DIY-Kits gegen das deutsche Gentechnikgesetz verstoßen könne. Dies sei zum Beispiel immer dann der Fall, wenn solch ein Kit „ gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthält oder wenn damit GVOs erzeugt werden“. Schließlich dürfen solche Arbeiten hierzulande laut Gentechnikgesetz nur in eigens dafür eingerichteten und entsprechend überwachten gentechnischen Anlagen durchgeführt werden. Wer solche Kits hingegen als DIY-Forscher im Heimlabor anwendet, riskiert eine ordentliche Strafe – erst recht, wenn als Folge solcher Hobby-Basteleien GVOs freigesetzt werden.

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Empfindliche Strafen

Diese pauschale Warnung war das eine. Parallel hatte das BVL die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) um eine Stellungnahme zur Risikobewertung bestimmter DIY-Gentechnik-Kits gebeten. Für drei dieser Kits sind die Stellungnahmen jetzt erschienen: für das „Engineer-it“-Kit der kanadischen Firma Amino Labs, sowie für die beiden Kits „Engineer GFP Yeast“ und „Bacterial Gene Engineering CRISPR“ der US-Firma The ODIN.

Demnach enthalten alle drei Kits Empfängerorganismen, die der Risikogruppe 1 zugeordnet sind: Einmal E. coli K12, einmal einen E. coli K12-Derivatstamm und einmal die Bierhefe Saccharomyces cervisiae. „Risikogruppe 1“ bedeutet, dass bei ihnen „nach dem Stand der Wissenschaft nicht von einem Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt auszugehen ist.“ Alle drei Kits erlauben aber die Durchführung von Experimenten zur Herstellung von GVOs und sind daher – wie gesagt – laut Gentechnikgesetz im reinen Hobbylabor nicht erlaubt.

Falsche Bakterien im Kit

Immerhin kommt die ZKBS aber für alle drei Kits zu dem gleichen Schluss:

„Die gentechnisch veränderten Organismen sind daher – unter der Voraussetzung, dass weder der Vektor noch das Insert Nukleinsäureabschnitte mit Gefährdungspotenzial enthalten – gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 GenTSV der Risikogruppe 1 zuzuordnen.“

Außerhalb von ausgewiesenen Gentechniklabors also verboten, aber nicht gefährlich für Mensch und Umwelt – so jedenfalls das Ergebnis der ZKBS, nachdem diese lediglich die reinen Versuchungsanleitungen für die drei Kits analysiert hatte.

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) prüfte jedoch mindestens das letztgenannte CRISPR-Kit nochmals konkreter – und musste die Warnstufe erhöhen: „Potenzielle Krankheitserreger im Do-it-yourself-Gentechnik-Baukasten der Firma The Odin“  betitelte es seine Meldung vom letzten Freitag. Mit Enterococcus faecalis und Klebsiella pneumoniae fanden die Tester in dem Kit Bakterien, die darin eigentlich gar nicht enthalten sein sollten. Beide sind der Risikogruppe 2 zugeordnet, da sie unter anderem Sepsis, Harn- und Wundinfektionen hervorrufen können.

Allerdings beruhigte das LGL aber auch umgehend wieder:

„Eine mögliche Infektion beim Umgang mit den in dem Baukasten entgegen den Herstellerangaben enthaltenen Krankheitserregern kann nicht vollständig ausgeschlossen werden. Eine Verbreitung in der Bevölkerung ist allerdings unwahrscheinlich und eine wirksame medizinische Behandlung im Erkrankungsfall normalerweise gegeben.“

Warnungen gehen raus

Dennoch bleibt auch hier der juristische Aspekt, denn mit diesen Erkenntnissen greift für den Kit plötzlich auch das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Das LGL schreibt dazu:

„Die Einfuhr und der Besitz potenziell krankheitserregender Bakterien (Erreger der Risikogruppe 2) ist ebenso wie deren Aufbewahrung, deren Weitergabe oder das Arbeiten damit gemäß § 44 Infektionsschutzgesetz (IfSG) grundsätzlich nur nach Erlaubnis durch die zuständige Behörde gestattet. Sollten Personen ohne eine solche Erlaubnis im Besitz derartiger Baukästen sein, empfiehlt das LGL

- diese Baukästen nicht zu öffnen,

- die Experimente nicht durchzuführen und

- für das weitere Vorgehen mit dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt  Kontakt aufzunehmen (https://www.stmgp.bayern.de/ministerium/behoerden-und-gremien/).“

Nach Informationen des Verbandes Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin  (VBIO) hat das Bayerische Kultusministerium daher bereits alle Gymnasien mit S1-Labors angeschrieben, um sie vor Erwerb und Einsatz des „DIY Bacterial Gene Engineering CRISPR Kits“ für Unterrichtszwecke zu warnen. Dies allerdings ist nur ein kleiner Teil derer, die sich potentiell für den Kit interessieren könnten. Entsprechend, so der VBIO, sollte diese Warnung auch die außerschulischen Lernlabors erreichen – ebenso wie die vielen Hochschulteams, die im Rahmen ihrer Teilnahme an dem populären International Genetically Engineered Machine (iGEM)-Wettbewerb in Boston solche Kits im S1-Labor verwenden könnten (siehe unsere früheren LJ-Artikel hier, hier, hier, hier und hier).

Und dann bleibt natürlich noch die schwer fassbare Dunkelziffer der Do-It-Yourself-Forscher, die diesen Kit womöglich auch bestellen, obwohl sie die beschriebenen Experimente in ihren Heimlabors per Gesetz gar nicht durchführen dürfen…

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 21.04.2017