Editorial

Eiskalte Pause

(14.6.17) Humane pluripotente Stammzellen müssen regelmäßig expandiert und differenziert werden, um sie zum Beispiel als Modellsystem für Krankheiten einsetzen zu können. Ein neues Verfahren verhindert, dass sich hierbei genetische Veränderungen und Qualitätsverluste in den Zellen einschleichen.  
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© NIH

Hobbybäcker kennen das Problem: Selbst wenn alle Zutaten eines Teiges identisch sind, dieser exakt nach den Anweisungen des Backrezepts geknetet wird und die Gehzeiten penibel eingehalten werden ist der Teig nie gleich. Fertige Rohlinge zum Aufbacken liefern dagegen reproduzierbare Resultate.

Ganz ähnlich verhält es sich mit (humanen) pluripotenten Stammzellen (hPSCs). Die gängige Methode, um aus diesen maßgeschneiderte Zelltypen oder Gewebe herzustellen besteht aus drei Schritten: Die eingefrorenen hPSCs werden zunächst aufgetaut, anschließend über längere Zeit expandiert und schließlich durch eine entsprechende Induktion zum Beispiel zu Nerven-, Leber- oder Herzzellen differenziert.

Bei diesem Standard-Verfahren wird nur ein Aliquot des vermehrten Zellmaterials verwendet, der Rest wird für die spätere Umwandlung in einen gewünschten Zelltyp immer wieder rekultiviert. Die ständige Rekultivierung erhöht aber das Risiko von Kontaminationen sowie unkontrollierbaren Zufallsmutationen und hält Personal und Inkubatoren konsequent auf Trab. Teure Qualitätschecks, der immer wieder vermehrten Kolonien, finden meist nur stichprobenartig statt.

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Ein Forscherteam um den Stammzellspezialisten Mark Tomishima vom New Yorker Sloan Kettering Institute, dem auch Franz-Josef Müller vom Labor für Integrative Biologie der Uni Kiel angehörte, entwickelte deshalb die CryoPause-Kultur, die Qualitätsverluste und Überraschungen bei der Stammzellvermehrung verhindern soll (Stem Cell Reports).

Der Trick des Forscherteams besteht darin, aus den vermehrten hPSC-Kolonien, Einzelzell-Suspensionen herzustellen, und diese feinportioniert unter kontrollierten Bedingungen einzufrieren. Die portionierten Einzelzellen stehen als sogenannte Cryo-paused Cell Bank auf Abruf für die Differenzierung bereit. Die Überlebensrate der eingefrorenen Einzelzellen liegt bei neunzig Prozent und ist vergleichbar mit der nicht-eingefrorener Zellen.

Wie sieht das CryoPause Verfahren im Detail aus?

Für ihre Experimente nutzten die Forscher WA09-Zellen, die sie in Essential 8-Medium auf einer Geltrex-Matrix anzogen. Mit Accutase lösten sie die Zellen von der Matrix und resuspendierten sie nach Waschen und Zentrifugieren in dem Kryokonservierungsmedium EreSR-S. Die Einzelzell-Suspension füllten die Forscher anschließend in vorgekühlte Kryoröhrchen die sie kontrolliert einfroren. Die Konzentration der Zellen lag hierbei ohne Qualitätsverluste bei 30 Millionen Zellen pro Milliliter, also dreißig mal über der für EreSR-Medium empfohlenen Konzentration.

Für Stammzellen gelten neben der möglichst hohen Zellvitalität auch noch andere Qualitätskriterien, etwa die DNA-Methylierungsrate. Diese veränderte sich durch die Einfrier-und Auftau-Prozedur nicht und auch die Expression eines mit einem Plasmid eingeschleusten GFP-Gens funktionierte mit den aufgetauten Zellen genauso gut wie mit nicht eingefrorenen Kontrollen. Die Forscher konnten auch keine erhöhte gamma-H2AX-Expression feststellen, die auf vermehrte Doppelstrangbrüche hingewiesen hätte.

Wie die unbehandelten Kontrollen, bildeten auch die Cryo-pausierten Zellen Teratome, was ihre noch immer vorhandene Pluripotenz bestätigte. Und auch die Analyse des Transkriptoms aufgetauter Zellen mit dem PluriTest, der Pluripotenz-typische Expressionsmuster systematisch abtastete, ergab keine Abweichungen von unbehandelten humanen embryonalen Stammzellen oder induzierten humanen PSC-Linien. Entsprechend differenzierten sich die mit dem CryoPause-Verfahren gewonnen Stammzellen zu Nervenzellen, Mesendodermzellen sowie Dopaminrezeptorzellen des Mittelhirns.

Die CryoPause-Technik funktioniert auch im Großmaßstab: Die Forscher expandierten die eingefrorenen Zellen hierzu in einem System aus vierundvierzig 6-Well-Platten und erhielten mit dieser Zellfabrik etwa 250 Millionen Zellen.

Ein Wermutstropfen bleibt jedoch: Die Plattierungseffizienz der CryoPause-Zellen ist aus nicht näher erläuterten Gründen etwas geringer als die konventionell hergestellter Zellen, was ihre Kosten etwas erhöht. Zudem benötigen die vielen Ready-to-use Stammzellportionen mehr Lagerplatz und flüssigen Stickstoff.

 

Andrea Pitzschke



Letzte Änderungen: 07.07.2017