Editorial

Importierte Fluoreszenz

(26.10.2022) Statt mit radioaktiv markierten Proteinen lässt sich der Proteinimport in Mitochondrien auch mit einem neuen Fluoreszenz-Verfahren analysieren.
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Das menschliche Mitochondrien-Genom codiert gerade einmal für 13 der über 1.000 Mitochondrien­proteine, der Rest ist Kern-codiert. Dank einer Signalsequenz finden die frisch synthetisierten Vorläufer (Precursor)-Proteine ihren Weg vom Cytosol in die Mitochondrien. Für die Passage durch die Doppelmembran der Mitochondrien sind die Translokase-Komplexe TOM und TIM zuständig: TOM managt den Transport durch die Außenmembran, TIM schleust die Proteine durch die Innenmembran. TIM funktioniert nur, wenn ein Membran­potenzial zwischen Intermembran-Raum und Mitochondrien-Matrix anliegt. Eine Peptidase knabbert die Signalsequenz schließlich wieder von den importierten Proteinen ab.

Störungen des Proteinimports in Mitochondrien stehen mit schwerwiegenden Krankheiten in Zusammenhang, beispielsweise Myopathien sowie neurodege­nerativen Krankheiten einschließlich Alzheimer und Parkinson. Umso wichtiger ist es, den Importmechanismus minutiös zu verstehen. Bisherige Systeme zur In-vitro-Analyse des Proteinimports nutzen radioaktiv markierte Proteine, die in Retikulozyten-Lysat mittels In-vitro-Translation in Gegenwart von radioaktivem 35S gewonnen werden. Die Substrate herzustellen, ist ein erheblicher Aufwand. Zudem ist die Technik nicht für den Hochdurchsatz geeignet und für den Umgang mit 35S ist ein Isotopenlabor notwendig.

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Tolerante Maschinerie

Mit Fluoreszenz- statt radioaktiver Markierung wäre das Ganze wesentlich einfacher und entspannter durchzuführen. Die Gruppe des Mitochondrien-Experten Peter Rehling von der Universitäts­medizin Göttingen hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, eine Fluoreszenz-basierte Methode zu entwickeln. Schon im Vorjahr hatte das Team unter Federführung von Rehlings Postdoc Luis Daniel Cruz-Zaragoza festgestellt, dass die mitochondriale Import­maschinerie einen FLAG-Tag an einem Protein toleriert (Cell, 184(23):5824-37.e15). Die Göttinger blieben an der Sache dran und stellten inzwischen einen Fluoreszenz-basierten Proteinimport-Assay auf die Beine, den sie in einem bioRxiv-Manuskript zur Diskussion stellen.

Ohne Import-Signal geht auch bei der Fluoreszenz-Technik nichts. Das Team hängte daher zuallererst eine Signalsequenz an den N-Terminus des getesteten Mitochondrien­proteins Jac1 aus der Bäckerhefe. Das andere Ende von Jac1 fusionierte die Gruppe mit einem FLAG-Tag, den sie mit einer endständigen Cystein-Gruppe versah. Mithilfe einer Maleimid-Kupplung verknüpften die Göttinger die freie SH-Gruppe des Cysteins mit einem DyLight-Fluorophor – fertig war das Fluoreszenz-markierte Precursor-Protein.

Nicht vergessen: Negativ-Kontrolle

Importstudien mit Fluoreszenz-markierten Precursor-Proteinen verlaufen analog zur Strategie der Isotopen­markierung. Als Substrat verwendet man jedoch das rekombinante Protein statt des In-vitro-translatierten Proteins mitsamt Bestandteilen aus dem Retikulocyten-Lysat. Für das Import­experiment werden die Fluoreszenz-markierten Precursor-Proteine mit aufgereinigten Mitochondrien inkubiert. Nach einigen Minuten wird die Probe halbiert. Um sicherzugehen, dass die beobachteten Signale auf einem tatsächlichen spezifischen Import und nicht etwa auf Diffusion oder unspezifischem Haften basieren, muss man eine Negativ-Kontrolle mitführen. Hierzu dienen Entkoppler wie CCCP, die das Membranpotenzial der Mitochondrien aufheben und damit die Triebkraft für den Proteinimport ausschalten. Nach der Importreaktion entfernt man nicht-importierte Vorläufer-Proteine mit einer Proteinase-K-Behandlung. Die von der restlichen Flüssigkeit abgetrennten Mitochondrien analysiert man anschließend mit einer SDS-PAGE.

Die Fluoreszenz-Technik hat der klassischen Isotopen-Methode etwas Wesentliches voraus: Der Experimentator kann mit ihr die Menge des importierten Proteins pro Mikrogramm Mitochondrien ermitteln. Hierzu muss er in der Elektrophorese einfach nur Proben einer Verdünnungs­reihe der markierten Precursor-Proteine mitlaufen lassen. Die Fluoreszenz­signale des fertigen Gels lassen sich Bande für Bande vergleichen. Das Göttinger Team fand auf diese Weise, dass in einem Mikrogramm Mitochondrien nach einer Viertelstunde circa 1,2 Picomol des markierten Precursors Jac1 landeteten. Ob das importierte Protein prozessiert wird, lässt sich aus der Höhe der Banden ablesen – bei Jac1 war dies zum Beispiel nur unvollständig der Fall.

Defektes TIM

Die Methode erlaubt nicht nur, den Proteinimport in Mitochondrien von Wildtyp und Krankheits-verursachenden Varianten zu vergleichen. Auch Effizienz­vergleiche verschiedener Signalsequenzen sind möglich. Ebenso lässt sich analysieren, wie Medikamente oder andere Behandlungen die Import­fähigkeit der Mitochondrien für bestimmte Proteine beeinflussen.

Ob und wie sich Mutationen der Import­maschinerie auswirken, untersuchte die Gruppe an einer Mutante mit defektem TIM. In dieser war der Import des Fluoreszenz-markierten Proteins stärker eingeschränkt als der Import des radioaktiv markierten Proteins. Einen möglichen Grund hierfür vermutet die Gruppe in der stabilisierenden Wirkung von Chaperonen, die ungewollt aus der In-vitro-Translation im Retikulozyten-Lysat mitgeschleppt werden.

Anders als bei 35S müssen sich die Fluoreszenz-Analysen aber nicht auf ein Signal und somit auf ein bestimmtes Protein beschränken. Schließlich gibt es viele Fluorophore für unterschiedliche Wellenlängen, die sich an das endständige Cystein koppeln lassen. Die Göttinger untersuchten zum Beispiel Jac1-Precursor-Proteine, die mitochondriale Signalsequenz aus Jac1, Aconitase1 oder Isocytrat­dehydrogenase enthielten, und mit drei verschiedenen Fluorophoren markiert waren.

Assay auf Platte

Führt man das Fluoreszenz-Verfahren im Plattenformat durch, ist keine Elektrophorese mehr nötig. Inkubation, Proteinase-K-Behandlung und Re-Isolierung der Mitochondrien sind auch hier die ersten Schritte. Danach transferiert man die resuspendierten Mitochondrien jedoch in eine 96-Well-Platte und detektiert die Fluoreszenz-Signale direkt im Platten­lesegerät. Eine mitgeführte Verdünnungs­reihe markierter Precursor-Proteine erlaubt den Rückschluss auf absolute Mengen der importierten Proteine. Einziger Wermutstropfen: Die Signale von Precursor und fertig prozessiertem Protein lassen sich mit der Multiwell-Variante nicht unterscheiden.

Andrea Pitzschke

Jain N. et al. (2022): A quantitative fluorescence-based approach to study mitochondrial protein import. bioRxiv, DOI: 10.1101/2022.10.10.511594

Bild: AdobeStock/steven




Letzte Änderungen: 26.10.2022