Editorial

GPC - au weh, ojemineh!

GPC Biotech ist mit seinem Prestigeprojekt, einem angeblichen Wundermittel gegen Prostatakrebs, gescheitert. Was bleibt, ist Katzenjammer - und ein Milliardär, der aufs falsche Pferd gesetzt und mehrere dutzend Millionen Euro verpokert hat.

(31.10.2007) Wenigstens der Zeitpunkt war optimal. Wenn schon ein solches Fiasko, dann bitte genau jetzt, im Herbst 2007, wenn die Konjunktur brummt und an Biotech-Arbeitsplätzen zwischen Basel und Kiel kein Mangel herrscht. Denjenigen GPC-Mitarbeitern, die nach einem nun wohl endgültig gescheiterten Medikamententest demnächst gefeuert werden (und das sind einige!), dürfte das jedoch nur ein schwacher Trost sein.

Vielleicht hätte man in Martinsried einfach ein wenig bescheidener sein sollen? "Wir haben womöglich ein Wundermittel gegen Prostatakrebs, wir sind kurz davor, Umsätze im 500-Millionen-Euro-Maßstab einzufahren" - explizit gesagt haben derlei die GPC-Vorstände nie, doch angedeutet haben sie es ständig. Und die Zulassung ihres professionell vermarkteten Hoffnungsträgers Satraplatin sei nur noch Formsache. Dachte man.

Kurzer Rückblick

Das Martinsrieder Biotechunternehmen GPC Biotech hat bisher kein einziges Produkt in den Apotheken stehen. Nur einem einzigen Mittel wurden - bisher! - gute Chancen eingeräumt, in Bälde auf den Markt zu kommen: dem 2002 einlizenzierten, experimentellen Krebsmittel Satraplatin. GPC hat es durch die klinische Phase 3 geschleust und Analysten wie Journalisten regelmäßig mit positiv klingenden Nachrichten versorgt:

24.09.2006: "GPC Biotech und Pharmion geben positive Ergebnisse der Phase-3-Zulassungsstudie und Erreichen des Endpunkts "progressionsfreies Überleben" bekannt"

23.02.2007: "Satraplatin zeigt signifikante Verringerung des Risikos eines Krankheitsfortschritts bei Patienten mit fortgeschrittenem hormonresistentem Prostatakrebs"

16.04.2007: "US-Zulassungsbehörde FDA nimmt GPC BiotechÕs Zulassungsantrag für Satraplatin zur Prüfung an und erteilt "Priority-Review"-Status"

21.05.2007: "Präsentation weiterer Wirksamkeitsdaten aus der Phase-3-Zulassungsstudie SPARC mit Satraplatin auf dem Jahreskongress der American Urological Association"

25.06.2007: "GPC Biotech schließt Vereinbarung mit Yakult für die Vermarktung von Satraplatin in Japan"

26.06.2007: "GPC Biotech meldet Einreichung des europäischen Zulassungsantrag für Satraplatin durch Partner Pharmion"

20.07.2007: "GPC Biotech kündigt Telefonkonferenz am 25. Juli zur Diskussion der Empfehlung durch das Oncologic Drugs Advisory Committee (ODAC) zu Satraplatin an"

Mitte 2007 war die zum Superstar avancierte Minifirma GPC an der Börse mit irrealen 780 Millionen Euro bewertet. Nachdem sich die FDA von den ihr vorgelegten Studiendaten nicht überzeugt gezeigt hatte, kam am 25.07.2007 der vorläufige GAU (siehe Laborjournal-Editorial vom 26.07.2007: "GPC im Abwärtsstrudel") - und heute der endgültige. In der Pressemitteilung von heute (31.10.2007) heißt es in typisch verquastem Deutsch:

Studie "erreicht Endpunkt zur Gesamtüberlebenszeit nicht"

Im Klartext bedeutet das, dass GPCs Wundermittel Satraplatin gegen Prostatakrebs genausogut wirkt wie eine Tüte lauwarmer Luft. In der erwähnten Phase-3-Zulassungsstudie war Satraplatin, kombiniert mit einem gängigen Chemotherapeutikum (im Vergleich zu Placebo kombiniert mit diesem Chemotherapeutikum) bei 950 Prostatakrebs-Patienten untersucht worden. Ergebnis: Die Überlebensdauer ist quasi identisch, ob mit oder ohne Satraplatin.

GPC nur noch 28 Millionen Euro wert

Die Konsequenz: Der Kurs rauscht weiter in den Keller. Aus 25 Euro (im Frühjahr 2007) sind es über 8-9 Euro (seit Juli 2007) nun 3 Euro geworden. Derzeit ist die Firma nicht mehr 780 Millionen, sondern nur noch 120 Millionen Euro wert (davon ca. 92 Millionen Euro Barreserven); Tendenz: fallend.

Das gesamte intellektuelle Kapital der Firma samt der verbliebenen Medikamenten-Entwicklungsprogramme (zwei Wirkstoffe in Phase 1) liegt damit bei 120 minus 92 = 28 Millionen Euro. Das ist erschreckend wenig für einen angeblichen Spitzenreiter der deutschen Biotechnologie. Der Verbleib im Börsenbarometer TecDax ist vermutlich ebenfalls Makulatur. Stattdessen darf sich ein Handyprovider namens Drillisch Hoffnung auf die Aufnahme in den deutschen Technologieindex machen.

Zieht Hopp nun den Stöpsel?

Viel Geld verloren haben auch Familie und Freundeskreis des SAP-Milliardärs Dietmar Hopp. Hopp hatte, beraten von Lion Bioscience-Gründer Friedrich von Bohlen, Mitte September 2007 seinen Anteil an GPC gehörig aufgestockt (von 10 auf 17 Prozent). Auch Hopps Sohn Oliver kaufte zuletzt zu und hält derzeit knapp 8 Prozent, ferner gehören einigen Freunden der Familie Hopp insgesamt weitere knapp 16 Prozent.

Wohl überlegt war es allerdings nicht, 41 Prozent eines hochriskanten Medikamenteentwicklers wie GPC zu erwerben. Als heute (31.10.2007) die Hiobsbotschaft über die Nachrichtenagenturen tickerte, sackte die GPC-Aktie bis zum Börsenschluss um mehr als 50 Prozent ab. Hopp & Co. verloren damit auf einen Schlag etwa 50 Millionen Euro - frühere Verluste nicht mitgerechnet.

Der Wochenzeitung Die Zeit sagte Hopp einmal, er wolle "schon Gewinne" sehen. Sonst werde er den Stöpsel ziehen. Der Zeitschrift Laborjournal sagte Hopp einmal, er wolle die Chance wahrzunehmen, mit Biotech-Investments mehr zu verdienen als mit Festgeld (Ausgabe 10/2006). Die große Frage lautet nun: Zieht Hopp den Stöpsel?

Und wie geht's weiter mit dem Desaster namens GPC?

Zum Jahresende 2007 dürften die Martinsrieder noch etwa 60 Millionen Euro an kurzfristig verflüssigbarem Kapital besitzen, dazu recht wenige Mitarbeiter und einen monoklonalen Antikörper gegen Blutkrebs in einer frühen Entwicklungsphase. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus letzterem ein zugelassenes Medikament wird, liegt bei unter 30 Prozent.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 01.11.2007