Editorial

Bagger marsch! - Hufeisennase ade?

Der gerichtlich verordnete Baustopp für das Dresdener Großbauprojekt "Waldschlösschenbrücke" wurde am gestrigen Mittwoch aufgehoben. Damit ist die letzte Chance dahin, das Dresdener Elbtal als Weltkulturerbe zu erhalten. Auch für eine bedrohte Fledermausart dürfte es eng werden.

(14.11.2007) Hugh, das sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen hat gesprochen: Der Baustopp für die geplante Waldschlösschenbrücke nahe Dresden ist unrechtmäßig. Der Bau des 157 Millionen teuren Megaprojektes kann somit beginnen. Als Konsequenz droht nun die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status' des Dresdener Elbtals durch die UNESCO. Dass die Baumaschinen damit auch den Lebensraum einer bedrohten Fledermausart wegbaggern werden, sahen die Bautzener Richter nicht als relevant an.

Die Brücke

Der Bau der gigantischen Stahlbetonbrücke mit einer voraussichtlichen Länge von 635 Metern wurde 1996 vom Dresdener Stadtrat beschlossen, und seitdem keilen sich Gegner und Befürworter. Das Vorhaben umfasst nicht nur die eigentliche Brücke, sondern auch Anbindungen der Brückenköpfe an das Straßennetz (im Norden mit einem Tunnel) sowie den Ausbau einiger Zubringerstraßen. Die Brücke wird die Elbauen an einer ihrer breitesten Stellen überqueren. 2005 endete ein Bürgerentscheid "pro Brücke" und das Regierungspräsidium Sachsen ordnete den unverzüglichen Beginn des Brückenbaus an. Ein Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Dresden am 9. August (initiiert von den Naturschutzverbänden Grüne Liga, NABU und BUND Sachsen) hatte das Bauprojekt bis gestern gestoppt. Die Baukosten liegen bei geschätzten 157 Millionen Euro, Unterhalt und Betrieb werden nochmal eine Millionen jährlich verschlingen.

Die Fledermaus

Der gerichtlich verordnete Baubeginn hat auch Konsequenzen für eine Spezies, die vom Aussterben bedroht und deshalb laut Bundesnaturschutzgesetz angeblich "streng geschützt" ist: Die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) - mit einer Masse zwischen vier und neun Gramm sowie 25-40 cm Flügelspannweite die kleinste europäische Fledermausart - bewohnt u.a. das Dresdener Elbtal. Im Sommer residieren die Tierchen in sogenannten "Wochenstuben" (dunkle, warme und zugluftfreie Dachböden oder Kellerräume, in denen Anfang Juli das Junge geboren wird) sowie Jagdgebiete im Umkreis von vier Kilometern (Laubwälder, Parks, Alleen, Streuobstwiesen). Erbeutet werden vorwiegend langsam fliegende Insekten wie Käfer, Fliegen und Nachtfalter. Im Herbst zieht es die Kleine Hufeisennase in ehemalige Bergwerke, Keller oder Höhlen, wo sie den Winter verschläft. Etwa 650 Tiere leben noch in Sachsen in ca. zehn Sommer- und knapp zwanzig Winterquartieren.

Ob es den Flattertieren wirklich hilft, dass das Oberverwaltungsgericht Bautzen die zulässige Verkehrsgeschwindigkeit auf der Brücke in den Nachtstunden von April bis Oktober auf 30 km/h begrenzt hat?

Das Weltkulturerbe

Der Welterbetitel für die "einmalige Kulturlandschaft Elbtal" dürfte so oder so verloren sein. Aber das macht nichts; Dresden hat ja noch jede Menge anderer Attraktionen - zum Beispiel die Filmvorführungsreihe "Dresden wie es einst war" (täglich im Verkehrsmuseum) oder die legendäre Chanson-Revue von Georg Kreisler namens "Fledermäuse vergiften" am 15. Dezember im Dresdner Brettl-Theater - ja, genau, von DEM Georg Kreisler, der als "Meister des Makabren" gilt, und der sich zu Lebzeiten durch "besonders beißenden Spott" auszeichnete.

Winfried Köppelle

(Foto: www.stiftung-fledermausschutz.ch; der Autor dankt dem Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie für ausführliche Informationen zur Kleinen Hufeisennase)



Letzte Änderungen: 14.11.2007