Editorial

Lückenlos überwacht

(18.01.2024) Immer wieder werden Lebensmittel während der Produktion mit Bakterien kontaminiert. Damit das nicht mehr passiert, setzt FluIDect auf Photonik und Plastikkügelchen.
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Lebensmittel können mit Salmonellen kontaminiert sein, die zu Gastroenteritis führen können.

Die Liste der Lebensmittel, die zu Produktrückrufen führen, wird nicht kürzer. Auf Lebensmittelwarnung.de, dem offiziellen Warnportal des Bundes und der Bundesländer, gingen für 2022 allein 311 Rückrufmeldungen ein, davon 47 Fälle von Salmonellenbefall – ein Rekord. Auch im Januar 2024 alarmiert das Portal bereits vor Wurst und Käse mit Shiga-Toxin bildenden E. coli (STEC), Listerien in Pizzafleischkäse und Salmonellen-verseuchten Bio-Goji-Beeren.

Auch wenn die Kontaminationen nicht immer gesundheitsschädigend sind, die Rückrufe kosten Produzenten und Handel Geld, die Verbraucher werden verunsichert und die betroffenen Produkte wahrscheinlich größtenteils entsorgt. Das Jenaer Start-up FluIDect will dagegen etwas unternehmen, mit dem SpheroScan. Im Mittelpunkt stehen dabei zehn Mikrometer große, fluoreszenzmarkierte Polysterol-Kügelchen, die mit Licht angeregt werden. Befinden sich in einer Probe Mikroorganismen, lagern sich diese an die Kügelchen an und verändern die emittierte Wellenlänge des Lichts. Die Änderung ist schnell und leicht messbar. „Wir können unsere Beads direkt in die Probe geben, die dann auf die Suche nach den Mikroben gehen, und Informationen über deren Natur und Präsenz anschließend optisch auslesen“, verdeutlicht Erfinder und Mitgründer Michael Himmelhaus auf der SPRIND-Website. Wir sprachen mit CEO Tobias Schröter (im Bild) über Einzelheiten.

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Mit Ihrem SpheroScan wollen sie bereits im Produktionsprozess eingreifen und perspektivisch Kontaminationen frühzeitig erkennen.
Tobias Schröter: Ja, es ist unser Ziel, die Produktionsprozesse lückenlos zu überwachen. Es ist die Spitze des Eisberges, dass kontaminierte Lebensmittel in den Umlauf kommen, es geht aber schon früher los. Durch eine lückenlose Überwachung des Produktionsprozesses sollen die hygienischen Bedingungen optimiert werden. Dadurch wollen wir weniger Verschwendung, eine Kostenreduzierung und am Ende eine höhere Lebensmittelsicherheit erreichen.

SpheroScan scannt eigentlich auf bakterielle Verunreinigungen, kann es noch mehr erkennen?
Schröter: Grundsätzlich beruht unser System auf einem Biosensor, der biologische Substanzen detektieren kann. Wir nutzen dafür Antikörper-Antigen-Bindungen, sodass eigentlich alles, was wir über geeignete Fängermoleküle, wie beispielsweise Antikörper, an unsere Sensoren binden können, auch detektiert werden kann. Bei Bakterien geht das relativ einfach, das liegt daran, dass die einzelne Bakterie für unsere Verhältnisse eine relativ große Masse hat. Wir können auch einzelne Proteine spezifisch detektieren, das ist zum Beispiel für die Optimierung von Produktionsprozessen in der pharmazeutischen Fermentation gefragt. Eines unserer Kundenprojekte ist die Detektion von Schwermetallen im Wasser. Das ist grundsätzlich möglich, da dafür geeignete Fängermoleküle existieren.

Also können Sie auch anorganische Substanzen erkennen?
Schröter: In gewissem Maße, ja.

SpheroScan kann auch in Bioreaktoren eingesetzt werden. Wie funktioniert das?
Schröter: Das sind im Wesentlichen Hefen, die eingesetzt werden, um Biomasse in Biomethanol und Alkohol umzuwandeln. Wir haben im Gespräch mit vielen Ethanolproduzenten herausgefunden, dass es dort häufiger zu Kontaminationen kommt, die im ersten Moment die Ausbeute reduzieren, wenn sich beispielsweise Milchsäurebakterien in den Fermentern einlagern. Das führt dazu, dass Milchsäure anstatt Ethanol produziert wird, die Ausbeute sinkt und im Extremfall kann das System kippen. Die Kontamination führt dann dazu, dass der ganze Fermenterinhalt verworfen werden muss, was natürlich ökonomisch nicht sinnvoll ist, aber auch ökologisch ein großes Problem darstellt. Die Anlagen nach einer starken Kontamination wieder zu sterilisieren und wieder hochzufahren, ist sehr kostspielig und langwierig. Hier wollen wir durch eine frühzeitige Erkennung die Hersteller in die Lage versetzen, mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren und die Extremsituation zu verhindern.

Wie sieht es mit der Marktreife aus?
Schröter: Wir sind gerade dabei, erste Validierungsstudien mit Kunden durchzuführen, die auch vielversprechend aussehen. Dieses Jahr werden wir an erste Kunden Geräte ausliefern, wir werden dann aber noch einige Zeit brauchen, um das Produkt Großserien-tauglich zu machen.

Das dauert seine Zeit und kostet Geld. Was wünscht sich ein Start-up an Unterstützung?
Schröter: Ganz viel natürlich. Mein Wunsch wäre, dass wir Behördenprozesse, also bürokratische Prozesse, so weit verschlanken könnten, dass daraus nicht jedes Mal große Zeitfresser entstehen. Wenn wir zum Beispiel Projektanträge stellen, oder mit Ämtern wie dem Finanzamt kommunizieren, jedes Mal ist das für uns ein großer Kraftakt. Manchmal werden Förderprojekte auch aufgrund eines Formfehlers abgelehnt und man muss diese dann ein halbes Jahr später nochmal einreichen.
Ich finde auch die gesamte Förderlandschaft zu komplex, häufig ist es nötig, eine private Fördermittelberatung in Anspruch zu nehmen, um da durchzublicken. In meinen Augen kann das nicht Sinn der Sache sein. Positiv muss man natürlich sagen, dass sich Deutschland bemüht, die Bedingungen für Start-ups zu optimieren. Die Fördermittel existieren und die Fördertöpfe sind in den meisten Fällen gut gefüllt, auch im internationalen Vergleich. Die Art und Weise der Vergabe, also des Abrufs, der Zeitdauer und des Projektcontrollings, ist teilweise aber nicht sinnvoll für Start-ups.

Thomas Köhler

Dieser Artikel erschien zuerst bei der Leipziger Zeitung.

Bild: NIAID & FluIDect (Porträt Schröter)


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Letzte Änderungen: 18.01.2024