Editorial

Mehr braunes Fett!

(05.02.2024) Braunes Körperfett hält uns nicht nur warm, sondern auch schlank. Wie wir mehr davon bekommen können und was das Ganze mit EPAC1 zu tun hat, haben Bonner Forscher aufgeklärt.
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Alexander Pfeifer freut sich auf weitere Arbeitsgruppen in Bonn, die an braunem Fett arbeiten möchten.

Alexander Pfeifer forscht schon lange an intrazellulären Signalwegen, am Anfang seiner Karriere vor allem an cGMP-abhängigen. Als er auf der Heimreise nach einem längeren Forschungsaufenthalt am Salk Institute in den USA in Science las, dass sein Lieblingsmolekül cGMP in braunem Fettgewebe ebenfalls wichtig ist, hat es ihn gepackt. „Ich wollte auch an braunem Fett forschen, aber das war gar nicht so einfach!“, erzählt er nun 20 Jahre später. Damals dachte man nämlich, dass Menschen gar kein braunes Fett mehr haben, zumindest nicht als Erwachsene. Es gab also weder humane Modellsysteme noch viele Drittmittel. Obwohl es mühsam war, ist Pfeifer drangeblieben, und das hat sich ausgezahlt. „2009 wurde gezeigt, dass Menschen sehr wohl braunes Fettgewebe haben, und damit begann ein Hype“, erinnert sich der Professor, der heute das Institut für Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Bonn leitet.

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Muskeln allein reichen nicht

„Die Adipositas-Pandemie und viele Stoffwechselerkrankungen basieren auf einem Energie-Ungleichgewicht im Körper. Unser Ziel ist es, den Energiehaushalt wieder in Balance zu bringen“, sagt Pfeifer. Er meint, dazu dürfe man nicht nur auf den Teller – sprich die Energieaufnahme – schauen, sondern auch auf den Energieverbrauch. Aber auch hier stellt er fest: „Immer zu sagen – lauft mehr – reicht nicht, es sind auch andere Energieverbraucher als Muskeln nötig!“. Und hier ist braunes Fett ein heißer Kandidat, denn es wandelt Energie in Wärme um, wie Pfeifer erklärt: „Braune Fettzellen sind unser interner Ofen und verbrauchen Energie, und zwar bis zu 75 % des Zuckers und 60 % des Fetts, das wir über Nahrung zu uns nehmen“.

Wie aber bekommen wir mehr braunes Fett, das die Kalorien wegschmelzen lässt? Niedrige Temperaturen würden helfen, allerdings ist ständiges Frieren auch nicht wirklich angenehm. Zum Glück haben Alexander Pfeifer und seine ehemalige Doktorandin Laia Reverte-Salisa nun einen molekularen Schalter entdeckt, den man pharmakologisch aktivieren könnte. Dieser Schalter hat mit einem anderen wichtigen Botenstoff zu tun, nämlich cAMP. Der Second Messenger aktiviert den intrazellulären cAMP-Sensor EPAC1, welcher der Schlüssel zu mehr braunen Fettzellen ist. Bisher lag das Hauptaugenmerk der Forschergemeinde auf der cAMP-abhängigen Proteinkinase (PKA), die die Energieabgabe im braunen Fett aktiviert. Die Zahl der braunen Fettzellen erhöht PKA aber nicht. „EPAC1 ist ein alternativer Weg zum bisher studierten PKA-Hauptweg und kontrolliert vor allem die Entstehung neuer brauner Fettzellen“, fasst Pfeifer die Ergebnisse seiner Studie zusammen, die kürzlich in Nature Cell Biology veröffentlicht wurde (Link unten).

Molekül 007

Hierfür haben die Forscher sowohl Mausmodelle wie auch humane und murine Zellkulturmodelle verwendet. Zunächst schauten Pfeifer und Reverte-Salisa auf ihre murinen Zellkulturmodelle und verglichen die Proteinexpression in braunen und weißen Fettzellen. Dazu gewannen sie mesenchymale Stammzellen aus Fettgewebe, die sie in braune oder weiße Adipozyten differenzierten. In qPCR und Western Blot sprang es ihnen regelrecht ins Auge, dass EPAC1 deutlich mehr in braunen als in weißen Fettzellen exprimiert wird.

Dann machten sich Pfeifer und Reverte-Salisa zunutze, dass es für EPAC1 einen pharmakologischen Aktivator gibt, nämlich ein Molekül mit der Abkürzung 007. Mit diesem konnten sie zeigen, dass die Aktivierung von EPAC1 zu einer Vermehrung von braunen Fettzellen führt. Interessanterweise nahmen weiße Fettzellen nach 007-Behandlung die Merkmale von braunen Fettzellen an, man spricht dann auch von „beigen“ Zellen (eine Mischung aus weiß und braun). Dies ist besonders spannend, weil so das ungeliebte weiße Fett auch braune/beige Fettzellen abbekommt und dadurch Energie verbrennt.

Mäuse sind besser als Schweine

Diese ersten spannenden Ergebnisse stammten alle aus murinen Zellkulturmodellen, im nächsten Schritt gingen die Forscher zu Mausmodellen über. Pfeifer begründet die Wahl der Maus als Modellorganismus damit, dass sie ausgesprochen viel braunes Fettgewebe hat. „Interessanterweise sind Mäuse daher ein sehr gutes Modell, und nicht etwa Schweine, die sonst als gutes Modell für uns Menschen gehalten werden. Sie haben aber gar kein braunes Fett mehr, wahrscheinlich wegen der Züchtung hin zu Mastschweinen“, fügt er hinzu. Bekamen die Mäuse den EPAC1-Aktivator 007 verabreicht, setzten sie noch mehr braunes Fett an und verbrauchten deutlich mehr Energie als ohne 007. EPAC1-KO-Mäuse sprachen hingegen nicht auf 007 an, dafür taten dies übergewichtige Mäuse umso mehr.

Im letzten Schritt gingen die Forscher in menschliche Modellsysteme, um die Relevanz für unsere Spezies zu ergründen. Dank Spenderzellen und Stammzell-basierten Organoiden konnten sie nachweisen, dass EPAC1 wesentlich höher in braunen prä-Adipozyten exprimiert ist als in braunen und weißen Fettzellen. Außerdem zeigte auch 007 eine ähnliche Wirkung wie in murinen Zellen. Könnte man EPAC1 also in Menschen aktivieren, würden diese mehr braune Fettzellen bilden und dadurch den Energiehaushalt ins Gleichgewicht bringen, so die Hypothese von Pfeifer.

In Zukunft wird er weiter mit Hochdruck an EPAC1 und weiteren Regulatoren des braunen Fettes arbeiten. Dabei hilft ihm nicht nur der Sonderforschungsbereich für braunes Fett (SFB/TRR333), den er bei der DFG eingeworben hat, sondern auch, dass hoffentlich noch weitere Arbeitsgruppen an das Universitätsklinikum Bonn kommen, die an braunem Fett forschen möchten. Letztlich träumt Pfeifer davon, dass seine Forschungsergebnisse bei übergewichtigen Menschen ankommen und ihnen helfen könnten. „Es wäre natürlich toll, wenn Pharmaka entwickelt würden, die spezifisch EPAC1 aktivieren“, sagt er abschließend.

Klara Frech

Reverte-Salisa L. et al. (2024): EPAC1 enhances brown fat growth and beige adipogenesis. Nat Cell Biol, 26: 113–23.

Bild: AdobeStock/Pixel-Shot (Waage) & Universitätsklinikum Bonn/A. Winkler


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Letzte Änderungen: 05.02.2024