Editorial

Diskriminiert die DFG Forscherinnen in den Lebenswissenschaften?

Die DFG ließ die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen in ihren Förderprogrammen und Gremien untersuchen. In den Lebenswissenschaften existieren bei manchen Fördermöglichkeiten Nachteile für Forscherinnen.

(04.08.2008) Im Auftrag der DFG analysierten Hinz, Findeisen und Auspurg vom Arbeitsbereich für empirische Sozialforschung der Universität Konstanz die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen in Programmen und Gremien der DFG im Zeitraum von 1991 bis 2004. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich unter dem Titel "Wissenschaftlerinnen in der DFG" im WILEY-VCH-Verlag veröffentlicht (siehe hier).

Die DFG ist die wichtigste deutsche Institution zur Förderung der Grundlagenforschung über Drittmittel. Die Forschungsanträge werden vorwiegend von den Hochschulen gestellt. Die Lebenswissenschaften umfassen nach DFG-Einteilung Biologie, Medizin, Agrar- und Forstwissenschaft, Gartenbau und Veterinärmedizin. Hier sieht die Fördersituation folgendermaßen aus:

Die meist genutzte Fördermöglichkeit ist die Einzelförderung. Der Frauenanteil bei den Antragstellungen zeigte seit 1991 steigende Tendenz, lag aber 2004 bei nur 17,8 Prozent. Wissenschaftlerinnen waren bei der Antragstellung zwei bis sieben Jahre Jahre jünger als ihre männlichen Kollegen. Die Gründe hierfür liegen im Dunkeln. Haben Wissenschaftlerinnen einen größeren Ehrgeiz als ihre männlichen Kollegen? Oder werden sie zu wenig unterstützt und müssen sich schon früh in ihrer Karriere selbst fördern? Spielen hier biologistische Gründe eine Rolle?

Die Bewilligungsquote war bei Anträgen von Wissenschaftlerinnen um 3,3 Prozent geringer als bei Anträgen von Wissenschaftlern. 2003 und 2004 waren die Bewilligungsquoten mit Werten um die 35 Prozent generell deutlich niedriger als noch im Jahr 2000. Hinz, Findeisen und Auspurg erklären die leichte Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen bei der Einzelförderung mit dem steigenden Frauenanteil bei abnehmenden Bewilligungschancen. Vielleicht wirkt sich aber auch die geringere Forschungserfahrung der Wissenschaftlerinnen bei der Antragstellung negativ aus. Bei der Höhe der beantragten und bewilligten Mittel gab es nur geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Kürzungen fielen bei Anträgen von Wissenschaftlerinnen allerdings etwas größer aus als bei Anträgen von Wissenschaftlern.

Mit den Schwerpunktprogrammen will die DFG die Kooperation unter Wissenschaftlern fördern. In den Lebenswissenschaften stammten zwischen 1991 und 2004 lediglich 13,4 Prozent der Anträge von Forscherinnen. Werden sie bei der Antragstellung zu wenig unterstützt? Bei der Mittelvergabe selbst ließ sich keine Bevorzugung oder Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen feststellen.

In den Graduiertenkollegs der Lebenswissenschaften stieg der Frauenanteil bei den DFG-Stipendiaten von 44,7 Prozent im Jahr 1997 auf 52 Prozent im Jahr 2004 an. Bewerberinnen haben bei diesen bundesweit ausgeschriebenen Stipendien inzwischen mindestens so gute Förderchancen wie Bewerber. Auch die Besetzung von Vollzeit-Mitarbeiterstellen in DFG-geförderten Projekten erfolgte in den Lebenswissenschaften ohne Geschlechtspräferenzen.

Für die direkte Nachwuchsförderung bietet die DFG Forschungsstipendien und das Emmy Noether-Programm an. Der Anteil der Antragstellerinnen für Forschungsstipendien lag zwischen 1991 und 2004 bei 29 Prozent. Die Förderquoten waren insgesamt hoch, lagen aber für Wissenschaftlerinnen etwas niedriger als für Wissenschaftler (59,2 Prozent versus 62,1 Prozent).

Das Emmy Noether-Programm bietet eine Alternative zur Habilitation. Zwischen 1999 und 2004 bewarben sich 29,5 Prozent Wissenschaftlerinnen für die erste Phase des Stipendiums, die der Finanzierung eines Auslandsaufenthalts diente. Diese erste Phase wurde 2005 abgeschafft. Für Phase zwei zur Finanzierung einer Nachwuchsgruppe bewarben sich 29,9 Prozent Wissenschaftlerinnen im Zeitraum von 1999 bis 2004. Die Förderquoten waren hoch und für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ähnlich. Sie betrugen 47,3 Prozent und 46,5 Prozent in Phase eins und 39,5 Prozent und 42,6 Prozent in Phase zwei.

In Sonderfunktionen, im Begutachtungsprozess und in den Gremien Präsidium, Senat und Hauptausschuss der DFG sind Wissenschaftlerinnen nur in geringem Ausmaß vertreten. In den Lebenswissenschaften stieg der Frauenanteil in Sprecherfunktionen der Koordinierten Programme von 4,3 Prozent im Jahr 1991 auf 9 Prozent im Jahr 2005. Er ist damit auf diesen mit hoher Sichtbarkeit und Verantwortung verbundenen Positionen immer noch ähnlich niedrig wie bei den Professuren.

Sondergutachter werden durch die Fachreferenten der DFG ausgewählt und sind seit 2004 allein für die Erstellung von Gutachten zu Förderanträgen verantwortlich. Vor 2004 waren daran zusätzlich gewählte Fachgutachter beteiligt. In der Einzelförderung der Lebenswissenschaften waren zwischen 1999 und 2004 schätzungsweise 9,8 Prozent der Sondergutachter Frauen. Der Frauenanteil bei den Sondergutachtern entwickelte sich analog zum steigenden Frauenanteil bei den Professuren. Auch der Frauenanteil bei den gewählten Fachgutachtern stieg zwischen 1991 und 2003 von 2,5 Prozent auf 8,3 Prozent an.

Die gewählten Mitglieder der seit 2004 tätigen Fachkollegien sind für eine abschließende und vergleichende Bewertung der Förderanträge verantwortlich. Nach der Wahl 2003 entsprach der Frauenanteil in den Fachkollegien der Lebenswissenschaften ungefähr dem Frauenanteil an den Professuren.

Die Situation der DFG-Förderung in den Lebenswissenschaften lässt sich im Hinblick auf Chancengleichheit der Geschlechter folgendermaßen zusammenfassen: Bei den Graduiertenkollegs, der Besetzung von DFG-geförderten Mitarbeiterstellen und bei der Mittelvergabe in den Schwerpunktprogrammen haben Wissenschaftlerinnen gute Chancen. Beim Emmy Noether-Programm fanden sich leicht höhere Förderquoten für Wissenschaftlerinnen in Phase eins und leicht niedrigere Förderquoten in Phase zwei. Bei den Forschungsstipendien lag die Förderquote auf hohem Niveau mit einer geringen Bevorzugung der Wissenschaftler gegenüber Wissenschaftlerinnen. Auch in der Einzelförderung bestand eine leichte Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen. Bei den Sprechern der Koordinierten Programme, bei Sonder- und Fachgutachtern und den Mitgliedern der Fachkollegien entwickelte sich der Frauenanteil entsprechend dem geringen Anteil an Professorinnen in den Lebenswissenschaften. Auch in den Gremien der DFG war der Frauenanteil niedrig (hier geht's zur DFG-Seite "Chancengleichheit").

Im Juli diesen Jahres hat die Mitgliederversammlung der DFG über "Forschungsorientierte Gleichstellungsstandards" entschieden. Hierbei handelt es sich jedoch um selbst gesetzte Ziele der Hochschulen und Forschungseinrichtungen zur Steigerung der Repräsentanz von Frauen, die zunächst bis 2013 umgesetzt werden sollen. Ich bin skeptisch, ob dadurch der Frauenanteil auf allen Ebenen des Wissenschaftssystems noch zu meinen Lebzeiten deutlich steigen wird.



Bettina Dupont

Foto: iStockphoto/iofoto



Letzte Änderungen: 05.08.2008