Editorial

Finanzkrise: Entwarnung für deutsche Forschung?

Aus dem Ausland kommen Hiobsbotschaften: Forschungsstiftungen verlieren Vermögen, Universitäten geht das Geld aus, Biotechfirmen werden insolvent oder fusionieren. Müssen auch deutsche Forscher den Gürtel enger schnallen?

(20.11.2008) Am härtesten trifft die Finanzkrise den Biotechsektor. Sowohl die Finanzierungsmöglichkeiten für börsennotierte Biotechunternehmen als auch die Bedingungen für Firmengründungen haben sich verschlechtert. Das Wall Street Journal fürchtet im kommenden Jahr in Europa und in den USA Pleiten, Entlassungen, die Annullierung von Medikamententests und den Ausverkauf an große Pharmafirmen. R&D-Projekte könnten aus Kostengründen in einem frühen Entwicklungsstadium auf Eis gelegt werden. Vor allem Firmen mit wenig Einnahmen und Kapital sind in Gefahr.

Wie sieht es in Deutschland mit der privaten und öffentlichen Forschungsförderung aus? Hart traf es die Stiftung Industrieforschung, die die anwendungsnahe Forschung mittelständischer Unternehmen fördert. Sie hatte ihr gesamtes Kapital in Aktien der Deutschen Industriebank (IKB) angelegt. Nach deren Beinahe-Pleite können nur noch laufende Projekte finanziert werden. Auch das Stipendiatenprogramm für Jungingenieure läuft aus. Die Landesstiftung Baden-Württemberg wird aufgrund der Finanzkrise im Jahr 2009 nur etwa 25 Millionen Euro zur Verfügung stellen - halb soviel wie früher. Etwa 35 Prozent der Mittel sind für die Forschungsförderung vorgesehen.

Das BMBF dagegen gibt Entwarnung. Abstriche am Haushalt des BMBF seien derzeit nicht erkennbar, so die Pressereferentin Viola Klamroth. Zudem haben Bund und Länder auf dem Dresdner Bildungsgipfel Ende Oktober ihre Absicht bekräftigt, "bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes" in Bildung und Forschung zu investieren. Da das Bruttoinlandsprodukt grob 2500 Milliarden schwer ist, wären 10% etwa 250 Milliarden. Das entspräche aber fast dem gesamten Bundeshaushalt 2008. Wir wollen hier mal annnehmen, dass die Bildungsgipfler 10% des Bundeshaushalts investieren möchten und es ihnen nur ein wenig an Rechenbildung fehlt. Das wiederum zeigt, wie wichtig jeder einzelne Euro für die Bildung ist.

Zehn Prozent des Bundeshaushaltes wären also, legt man die Angaben des Statistischen Bundesamtes für das vergangene Jahr zugrunde, pro Jahr 24 Milliarden Euro. Das ist mehr als das Doppelte des bisher vorgesehenen Gesamthaushalts des BMBF für das kommende Jahr! Hat der Staat Geld gehortet, haben sich die Politiker schon wieder verrechnet oder handelt es sich um fromme Wünsche? Die Finanzierung der zusätzlichen Milliarden ist jedenfalls noch völlig offen. Bund, Länder, Kommunen und die Wirtschaft sollen sich an der Finanzierung beteiligen. Eine "Strategiegruppe" soll bis Ende Oktober 2009 Vorschläge erarbeiten...

Von den hypothetischen 24 Milliarden Euro soll ein Drittel in die Forschung fließen. Zwei Drittel sollen der Bildung zugute kommen. Bund und Länder streben an, dass 40 Prozent eines Jahrgangs ein Studium beginnen. Auch die Zahl beruflich qualifizierter Studienanfänger ohne Hochschulzugangsberechtigung soll erhöht werden. Die inflationäre Vergabe von Universitätsabschlüssen wird allerdings zu ihrer Abwertung als berufliche Qualifikation führen. Ob dadurch "Aufstieg durch Bildung" erreicht werden kann, ist fraglich.

Jurij von Kreisler, Leiter der Gruppe Finanzen der DFG-Geschäftsstelle in Bonn erklärte auf Anfrage von Laborjournal, dass auch die DFG keine Kürzungen in ihrer Förderung für die Jahre 2008 und 2009 vornehmen müsse. Die DFG wird zu zwei Dritteln vom Bund und zu einem Drittel von den Ländern finanziert. Bund und Länder beabsichtigten, an den finanziellen Zusagen im Pakt für Forschung und Innovation, im Hochschulpakt 2020 und in der Vereinbarung zur Exzellenzinitiative festzuhalten.

Auch die Zahl der Förderanträge von Biotechfirmen zur Finanzierung klinischer Studien blieben bei BMBF und DFG bisher unverändert. Beim Britischen Welcome Trust dagegen nahm deren Zahl in den letzten Monaten zu.

Die britischen Universitäten Oxford und Cambridge fürchten Millionenverluste. Universitäten in den USA entlassen Mitarbeiter, verhängen Einstellungsstopps und frieren Bauvorhaben ein. Eine Anfrage bei den Universitäten Heidelberg und Göttingen ergab hingegen keine Anzeichen für Finanzengpässe. Durch langfristige Vereinbarungen mit den Ländern sei die Finanzierung sichergestellt. Die Freie Universität Berlin befürchtet jedoch als mögliche Folge der Finanzkrise geringere Zuflüsse von Drittmitteln aus der Industrie.

Das Studieren auf Kredit wird teurer. Die staatliche KfW Förderbank hat im Oktober den Zinssatz für Studienkredite von 6,3 auf 6,5 Prozent erhöht. 2006 lagen diese Zinsen noch bei 5,1 Prozent. Über 44 000 Studenten sind von der Zinserhöhung betroffen. Hintergrund: Die KfW hat in den ersten neun Monaten 2008 einen Konzernverlust in Milliardenhöhe gemacht. Als Ursachen werden die Finanzkrise und die Rettung der IKB-Bank genannt. Ursprünglich hatte die KfW sogar eine Zinserhöhung für Studienkredite auf 7 Prozent geplant. Das scheiterte jedoch an einer Intervention der Bundesbildungsministerin.

Der Generalsekretär der Studentenwerke Deutschland, Achim Meyer auf der Heyde, rät, sich vor Aufnahme eines Studienkredits genau über andere Finanzierungsmöglichkeiten beraten zu lassen. Die Bafög-Konditionen hätten sich gerade verbessert. Er fordert zudem einen massiven Ausbau der staatlichen Förderung.

Wie man sieht, ist die Lage in der deutschen Forschungsförderung durchwachsen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Finanzkrise auch bei uns zum Einsatz des Rotstiftes zwingt.



Bettina Dupont

Quellen: Wall Street Journal, New York Times, WiWo, unicum, Focus, Spiegel, Zeit, www.academics.de, BMBF!K/!



Letzte Änderungen: 21.11.2008