Editorial

Wird das IQWiG zum Papiertiger?

Seit 2004 ärgert das "Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen" (IQWiG) und sein Leiter, Peter Sawicki, Politiker und Pillen-Hersteller. Wohl nicht mehr lange.

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(08. Januar 2010) Wunder gibt es immer wieder. 2004 zum Beispiel rieben sich vernunftbegabte Menschen in Deutschland verblüfft die Augen, als im Zuge der sogenannten „Gesundheitsreform“ ein Institut namens IQWiG ("Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen") gegründet wurde, das so gar nicht in die gesundheitspolitische Landschaft der Bundesrepublik Deutschland passt. Das IQWiG überprüft die Vor- und Nachteile medizinischer Leistungen objektiv. Dazu erstellt es unabhängige, evidenzbasierte Gutachten.

 

Im Gegensatz zur überwiegenden Mehrzahl der Lobbyisten-beeinflussten Pseudoreformen und deren Regelungen, welche bundesdeutsche Gesundheitspolitiker in den letzten 60 Jahren zusammengeschustert haben, ist das IQWiG tatsächlich dazu geeignet, die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern. Das Ministerium hat nämlich bei dessen Einrichtung nicht richtig aufgepasst, und prompt weist das Institut gleich drei bei bundesdeutschen Behörden streng verpönte Eigenschaften auf:

 

1. Es ist unabhängig (sowohl vom Ministerium als auch von politischen Parteien).

2. Es darf sich seine Themen selbständig aussuchen und bearbeiten.

3. Es hat einen unbequemen, eigensinnigen Chef.

 

Drei streng verpönte Eigenschaften

 

Zudem ist das IQWiG wirtschaftsfeindlich: Finden dessen Mitarbeiter bei ihren evidenzbasierten Analysen heraus, dass bestimmte Arzneimittel oder Behandlungen nicht ausreichend wirken, werden die Kosten dafür (zumindest im Idealfall) nicht mehr von den gesetzlichen Kassen übernommen. Das ist äußerst tragisch für Hersteller wie Behandler der und äußerst erfreulich für die Patienten, denen fortan Pseudoarzneien erspart bleiben. Geld sparen sie womöglich auch noch dabei.

 

Leiter des IQWiG ist seit 2004 der frühere Chefarzt und Kritiker der Pharmaindustrie, Peter Sawicki. Doch wie lange noch? Seit Ende des letzten Jahres wird spekuliert, unter anderem im Spiegel, dass Gesundheitspolitiker der CDU/CSU das IQWiG neu formieren und den 2010 auslaufenden Vertrag mit dem jetzigen Leiter, Professor Peter Sawicki, nicht verlängern wollen – obwohl sich Vertreter von Ärzteorganisationen und Krankenkassen bereits für eine Vertragsverlängerung von Sawicki ausgesprochen haben. Das IQWiG solle wirtschaftsfreundlicher aufgestellt werden, heißt es im Spiegel weiter.

 

Sawicki allerdings ist nicht nur ein kantiger Typ, sondern dazu politisch extrem ungeschickt. 2007 wurde bekannt, dass er dreimal Gutachtenaufträge an ein Institut erteilt hatte, an dem ausgerechnet seine Ehefrau beteiligt ist – was er zwar laut Vertrag darf, aber vorher mit dem IQWiG-Vorstand absprechen muß. Wirtschaftsprüfer stellten damals Verstöße Sawickis gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten fest, allerdings konnte „keine persönliche Vorteilsnahme“ festgestellt werden.

 

Glatter Typ statt Sturkopf?

 

Ein neuer, stromlinienförmiger Leiter des Instituts würde endlich Schluss machen mit dessen Unabhängigkeit, und in die bundesrepublikanische Gesundheitspolitik würde endlich wieder Lobbyisten-gesteuerte Normalität einkehren. Fünf Jahre Vernunft und evidenzbasierte Analyse medizinischer Leistungen hätten endlich ein Ende, und die Kassen dürften endlich wieder Pillen, Salben und Behandlungen erstatten, egal, ob sie wirken oder nur vom Hersteller gut beworben werden.

 

Angesichts dieser politischen Befindlichkeiten wird es wohl nichts helfen, dass sich am 7. Januar dieses Jahres 600 Ärzte (darunter laut Initiator „nahezu alle Leiter der allgemeinmedizinischen Fakultäten in Deutschland“) in einem offenen Brief für Sawicki als IQWiG-Chef einsetzten und Gesundheitsminister Philipp Rösler aufforderten, dessen Vertrag zu verlängern.

 

Die Berichte des Institutes seien für die tägliche Arbeit von Hausärzten unentbehrlich, heißt es in dem Schreiben; Sawickis Ablösung würde der deutschen medizinischen Wissenschaft schweren Schaden zufügen. Gerade Hausärzte brauchten unabhängige Informationen, heißt es weiter.

 

Wieso denn das? Dafür gibt’s doch Pharmavertreter.

 

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.03.2013