Editorial

Etwas Luft verschafft

Medigene verkauft die europäischen Rechte am Krebsmedikament Eligard für 25 Millionen Euro an den japanischen Vermarktungspartner. Da drängt sich die Frage auf, wieviel Medigene eigentlich im Laufe der Jahre für das Mittel berappt hat – und wie’s mit der Firma weitergeht.

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Kurzfristig ist das japanische Zeichen für Fröhlichkeit angesagt bei Medigene

(21. Juli 2010)  Der Martinsrieder Arzneimittel-Entwicklungsbetrieb Medigene meldete am  Montag, er habe durch den Verkauf „der exklusiven europäischen Vermarktungs- und  Vertriebsrechte" am Prostatakrebsmittel Eligard seine „Finanzsituation gestärkt". Der  Finanzvorstand der MediGene AG, Arnd Christ, sprach sogar von einem „finanziell und  strategisch exzellenten Deal für Medigene".

Tatsächlich? Man könnte es auch Verzweiflungstat nennen. Die oberbayerische Firma macht derzeit pro Monat eine knappe Million Euro Verlust und hatte Anfang April nur noch 8 Millionen Euro in der Firmenkasse. Grob hochgerechnet dürften derzeit – Ende Juli – kaum mehr als 4 Millionen Euro übrig sein.

Mit anderen Worten: Medigene wäre ohne den Eligard-Verkauf spätestens zum Jahresende pleite gewesen.

Vom Umsatz bleibt kaum etwas hängen

Wir erinnern uns: Die Oberbayern hatten das Mittel vor neun Jahren von der heutigen Tolmar Therapeutics Inc. (vormals Atrix Laboratories Inc., Colorado, USA) einlizenziert – für damals 2 Millionen Euro in bar plus 4 Millionen in Form eigener Aktien (zuzüglich diverser Folgekosten, etwa für Personal und Zulassung). 2001 hatte Eligard unter Atrix-Regie die klinische Phase III erfolgreich durchlaufen. Medigene betrieb fortan das Zulassungsverfahren und war Anfang 2004 damit erfolgreich.
Seitdem ist Eligard auf dem Markt – und sorgt für den überwiegenden Teil von Medigenes Produktumsätzen (Medigene hat mit dem Genitalwarzen-Medikament Veregen ein zweites, weit weniger gut verkauftes Produkt auf dem Markt).

Im Jahr 2009 wurden laut Medigenes Investor-Relations-Manager Georg Dönges Eligard-Dosen für 104 Millionen Euro abgesetzt. Hört sich nach viel an, zumal Medigenes Manager in ihren ursprünglichen Prognosen vor knapp zehn Jahren immer nur von einem Marktpotenzial von 50 Mio. Euro gesprochen hatten. Doch von den zuletzt 104 Millionen Euro landeten nur magere sechs Prozent – also 6,2 Mio. – bei Medigene. Den dicken 94-Prozent-Rest kassiert seit Jahren der Vermarkter: der japanische Pharmakonzern Astellas (ehemals Yamanouchi).

Immerhin: „Rückblickend haben wir ganz klar an Eligard verdient", trotz des hohen Investionsaufwands seit 2001, gibt sich der IR-Manager Dönges überzeugt. Warum dann der Verkauf? Siehe oben – die Firma braucht schleunigst viel Geld und nicht schleichend wenig. Immerhin bleibt Medigene künftig – neben der erwähnten 25 Mio.-Euro-Einmahlzahlung durch die Japaner – eine jährliche Umsatzbeteiligung von zwei Prozent.

"Depot"-Medikament

Eligard ist ein „Depot-Medikament" mit verzögerter Wirkung, bei dem der eigentliche Wirkstoff in einer speziellen „Formulierung" (einem Pulver) steckt. In Wasser aufgeschwemmt wird dieses Pulver dem Patienten injiziert. In dessen Körper gibt dieses sich allmählich auflösende, gelartige „Arzneimittel-Implantat" den Wirkstoff innerhalb von  Monaten konstant ab. Im Falle von Eligard heisst dieser Wirkstoff Leuprorelin-Acetat, das den Blutspiegel des männlichen Geschlechtshormons Testosteron senkt und damit das testosteronabhängige Tumorwachstum unterdrückt.

Doch wie wohltuend der demnächst zu erwartende Geldregen aus Japan auch ist: Interessiert sich nicht bald ein finanzkräftiger Seniorpartner ernsthaft für Medigenes verbliebenen Hoffnungsträger, das Anti-Angiogenese-Medikament Endotag, bleibt die finanzielle Lage der Martinsrieder heikel. Und die für 2011 geplante, kostspielige Phase-III-Studie, bei der Endotag an Bauchspeicheldrüsenkrebs-Patienten getestet werden soll, ist ohne Geldgeber ohnehin nicht zu machen.

 

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.03.2013