Editorial

Inkontinenz am Inn - Besser spät als nie

Anklage erhoben: Das Verfahren gegen die beiden Innsbrucker Urologen Georg Bartsch und Hannes Strasser ist zwei Jahre nach dem Zelltherapie-Skandal eröffnet.

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(29. September 2010) In Innsbruck tut sich was. Ein Jahr nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens gegen Georg Bartsch, Vorstand der Urologischen Klinik Innsbruck, und seinen ehemaligen Mitarbeiter Hannes Strasser wurde am 22. September von der Staatsanwaltschaft Innsbruck Anklage erhoben. Der Vorwurf: teils vollendeter, teils versuchter schwerer gewerbsmäßiger Betrug; außerdem Falschaussage vor Gericht, Fälschung von Beweismitteln sowie versuchte schwere Nötigung.

Gegen die Anklage wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs wehrt sich Bartsch durch seinen Anwalt Dieter Czernich. Bartsch habe "nie einen einzigen Cent aus der innovativen Harninkontinenz-Therapie erhalten", wie Czernich in der Tiroler Tageszeitung betont. Die Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH (TILAK), der Träger der Universitätskliniken, der die Studien finanziert hat, sei zudem "komplett informiert" gewesen. Daher sieht Czernich jegliche Betrugs- und Untreuevorwürfe gegen Bartsch als "unhaltbar" an. Hannes Strasser: "Der einstige ärztliche Direktor [ der TILAK] Wolfgang Buchberger hat schon als Zeuge unter Wahrheitspflicht ausgesagt, dass die Therapie schon seit 2004 budgetiert war." "[Die TILAK] war insbesondere darüber informiert, dass es sich um eine völlig neuartige Therapie handelt", erklärt Czernich gegenüber der Tiroler Tageszeitung. "Im Wissen um diese Tatsache hat sie trotzdem die Finanzierung übernommen. [...] Die TILAK hat selbst auch an der Therapie verdient, weil zahlreiche Patienten aus der ganzen Welt nach Innsbruck gekommen sind und der TILAK die hohen Behandlungskosten in voller Höhe ersetzt haben."

Eine weitere Anklage wegen schwerer Körperverletzung wird in den nächsten Tagen folgen. "Es geht um den Verdacht der Körperverletzung an Patienten und einmal um den Verdacht der Verleumdung", legt Staatsanwalt Wilfried Siegele der Tiroler Tageszeitung dar.

Der Innsbrucker Urologe Hannes Strasser hatte bei mehreren hundert Patienten eine nicht-etablierte autologe Zelltherapie zur Behandlung von Harninkontinenz angewendet (siehe www.laborjournal.de "Inspektionsbericht inkriminiert Innsbrucker Inkontinenzforscher" sowie Laborjournal 10/2008, Seite 24-29). Zusammen mit seinem Chef Georg Bartsch veröffentlichte Strasser dazu eine Studie in Lancet (Lancet 2007, 369:2179-86).

Insgesamt wurden an der Innsbrucker Urologie in Strassers Arbeitsbereich "Inkontinenz und Urodynamik" etwa 400 Patienten nach Strassers Methode behandelt. Allein, die Therapie half nicht allen Patienten. Einer der mit der Methode erfolglos behandelten Patienten klagte aufs Schmerzensgeld. In der Folge kamen Ungereimtheiten ans Licht, die sich zu dem Skandal entwickelten, über den Laborjournal in der sechszehnteiligen online-Serie "Inkontinenz am Inn" berichtete.

 

Lara Winckler

Foto: iStock/ER09



Letzte Änderungen: 04.03.2013