Editorial

Laborgeschichten (5) - Kochen im Labor

Molekularküche? – Ist das nicht diese extravagante Art zu kochen, mit flüssigem Stickstoff, Rotationsverdampfer und allerlei Labor-High-Tech. „Mousse au chocolat au air liquide“ zum Beispiel oder „sphärischer Melonenkaviar“. Müsste alles gehen im Labor. Doch bei der echten Laborküche ist es wie bei der Küche zu hause – die ist dann doch weitaus bodenständiger als das, was im neuen Kochbuch steht – dafür aber auch schön praktikabel.

editorial_bild

(13. Dezember 2010) Der kulinarische Morgen im Labor beginnt für die meisten AGler an der Kaffeemaschine, Kollege J. trinkt zum zweiten Frühstück aber lieber Grünen Tee, stilecht aufgebrüht im Becherglas – mit Wasser aus der Demineralisierungsanlage. Zwecks Geschmacksverbesserung versteht sich. Dazu schnell das Käsebrötchen wieder aus dem 30 Grad-Schrank, denn das war am Morgen in der Kälte auf dem Fahrrad zu einem harten Klotz erstarrt. Zu seiner Freude entdeckt J. im Brutschrank neben seinem Brötchen den Milchreis von Diplomandin G. Jetzt noch zwei Stunden was tun und dann gibt’s schon wieder Mittagessen.

Denn weil die AGler sich so gerne mögen, kochen sie in der Mittagspause auch mal gemeinsam. Sie schneiden zusammen Gemüse, Kräuter und Kartoffeln für die Suppe, doch in die Mikrowelle, die in der Küche steht, passt kein Suppentopf. Also mal eben einen Heizrührer aus dem Labor geholt, der lässt sich prima regulieren und heiß wird’s auch – kochen mit Labor-High-Tech!

Beim gemeinsamen Essen wird dann auch die Weihnachtsfeier im Labor geplant. Braten soll es geben, dazu Karfoffelgratin und Salat. Doch wo soll der Braten herkommen? TA C. weiß wie's geht: „Den machen wir im Heißluftsterillisator, der schafft 180 Grad und wenn man's mit Alufolie abdeckt, dann trocknet das nicht aus. Wir ham da ja die breite Rolle.“ Und das Karfoffelgratin passt auch noch daneben. Diplomandin B. bekommt den Auftrag Kresse und Sprossen für den Salat zu züchten. Dafür lässt sich in der Phytokammer ein bischen Platz räumen, unter der Tageslichtlampe wird es dann auch noch rechtzeitig fertig.

Postdoc K. soll sich um kalte Getränke kümmern: Also erst mal einen Zettel an die Eismaschine „Wir brauchen am Donnerstag viel Eis für die Weihnachtsfeier“ – damit sich auch ja niemand unnötig bedient. Um den Nachtisch soll sich Doktorand F. kümmern: Mousse au chocolat, aber nicht mit Stickstoff aufgeschlagen, sondern per Hand mit dem Schneebesen – und bitteschön zuhause. Genauso wie im übrigen auch die Plätzchen, die sollen nun wirklich nicht aus dem Laborofen kommen.

Nachdem alles geplant und die Kartoffelsuppe aufgegessen ist, fühlen sich die AGler wie molekulare Sterneköche. Und wie so oft erzählen sie sich die Anekdote, wie im Jahr zuvor der Chef nach der ganzen Völlerei kurz im Chemikalienraum verschwand und sich gegen sein Sodbrennen ein Löffelchen Natriumhydrogencarbonat gönnte.

 

Valérie Labonté

 



Letzte Änderungen: 04.03.2013