Editorial

Väter vernachlässigen Kinder schmuddeliger Mütter

Attraktive Blaumeisenweibchen bekommen mehr Unterstützung

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(3. Juli 2012) Viele Mütter kennen das bestimmt: ist erst einmal ein Kind da, kümmert man sich intensiv um den Nachwuchs. Das eigene Äußere kommt dabei oft zu kurz. Da ist die lässige Jogginghose allemal bequemer als ein Stiftrock. Aber Achtung, liebe Damen: Schlabberlook kann ungemütliche Folgen haben. Denn Männer umsorgen die Kinder attraktiver Mütter besser – zumindest Blaumeisenmännchen. Sind die Gefieder ihrer Gefährtinnen schlecht gepflegt, legen sie sich bei der Suche nach Futter für den Nachwuchs weniger ins Zeug.

Wenn die Partner besser aussehen, mehr Fitness ausstrahlen, werden sie in der Tierwelt mehr umworben und besser umsorgt. Dies ist in „einfache Worte“ verpackt die Differential Allocation Hypothese (DAH), die 1986 Nancy Burley von der Universität in Urbana-Champaing erstmals formulierte (Am Nat 1986, 127(4):415-45). Wissenschaftlich korrekt besagt sie, dass jedes Individuum eine Entscheidung zwischen der Investition in die eigene Fortpflanzung und die künftiger Generationen fällt. Je eher der Partner „gute Gene“ hat, desto fitter die Kinder und Enkel, und desto eher lohnt es die Mühe der Aufzucht.

Es wurde bereits in verschiedenen Taxa dokumentiert, dass Weibchen umso eher die mit der Fortpflanzung verbundenen Belastungen aufnehmen, je attraktiver das Männchen ist. Sie bevorzugen solche, die beispielsweise gut geeignete Brutplätze vorweisen können oder fit und gepflegt aussehen. Dass auch die Weibchen ihre Qualitäten nicht nur zu Beginn der Partnerschaft zeigen sondern dauerhaft pflegen müssen, haben Forscher vom Konrad Lorenz Institut für Ethologie in Wien bei Blaumeisen jetzt nachgewiesen (Front Zool 2012, 9(1):14).

Bekannt war, dass weibliche Blaumeisen die blaue Krone der Männchen als Selektionsmerkmal bei der Partnerwahl einsetzen. Das blaue Gefieder erscheint allerdings nicht nur im sichtbaren Licht blau, sondern reflektiert auch UV-Strahlung. Die Forscher fragten sich, ob dieses Merkmal auch von den Männchen genutzt wird. Also schmierten sie die blauen Köpfchen von weiblichen Blaumeisen mit einem in Bürzeldrüsenfett von Enten eingerührten UV-Schutz ein, der die UV-Reflektivität der blauen Federn um rund 15 Prozent senkte. Dann dokumentierten sie, wie sich die Herren Blaumeisen um die Damen und den Nachwuchs kümmerten. Die Kontrollgruppe wurde mit dem gleichen Fett eingeschmiert, allerdings ohne den UV-Blocker. Das Ergebnis: je besser das Kopfgefieder der Damen das UV-Licht reflektierte, umso heftiger kümmerten sich die Herren um Futter. Vielleicht nahmen die Blaumeisenherren an, dass sie sich die falsche, eben doch nicht so fitte Frau ausgesucht hatten, die nicht einmal Zeit hatte, sich um ihr Gefieder zu kümmern und demzufolge ihr Nachwuchs die Anstrengung nicht wert war.

Die Studie lässt allerdings Fragen offen, was die Autoren auch diskutieren. So ist zum Beispiel unklar, warum die Weibchen nicht umso mehr Futter heranschafften, je weniger die Männer sich darum bemühten. Gab es keines? Waren sie eh schon am Ende ihrer Kräfte? Unklar ist auch, warum die Männchen, die ihre Nestlinge vernachlässigten, dennoch ihre Nester genauso intensiv verteidigten wie die der Kontrollgruppe. Es gibt also noch viel Raum für weitere Untersuchungen.

Und was bedeutet das für uns Menschen-Mütter? Etwa: Lippenstift + Rouge = alles im Griff? Wer weiß. Das mag jede für sich selber ausprobieren.


Karin Hollricher
Bild: - white tiger - / photocase.com



Letzte Änderungen: 18.07.2012
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