Editorial

Frisch aus der Gefäßwand

Herkunft von follikulären dendritischen Zellen geklärt

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(12. Juli 2012) Ein Schweizer Forscherteam um Adriano Aguzzi vom Zentrum für Neurowissenschaften des Universitätsspitals Zürich hat ein Rätsel gelüftet, das Immunologen seit 25 Jahren umtreibt: Sie spürten die Vorläuferzellen für follikuläre dendritische Zellen auf, die eine Schlüsselrolle bei akuten Infektionen und chronischen Entzündungen spielen. Der neuendeckte Zelltyp befindet sich in den Wänden von Blutgefäßen und kann so fast überall im Körper sofort eine Immunreaktion auslösen. Auch an der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen, AIDS und Prionenerkrankungen sind diese Zellen beteiligt.

Eigentlich untersucht Aguzzi mit seiner Arbeitsgruppe die Pathogenese von Gehirntumoren sowie die Mechanismen von neurodegenerativen Erkrankungen wie der Traberkrankheit Scrapie, die von Prionen ausgelöst wird. „Follikuläre dendritischen Zellen stellen die größte Fabrik für Prionen außerhalb des Gehirns dar“, erklärt der Neuropathologe sein Interesse an diesen Immunzellen. Die genaue Rolle der abgekürzt FDC genannten Zellen ist noch unklar. Bisher weiß man, dass sie das Gerüst von Lymphfollikeln bilden, die bei Entzündungen entstehen. Neben FDCs bestehen diese Zellaggregate aus Lymphozyten, den T- und vor allem den B-Zellen. Man nimmt an, dass die FDCs, die über spezielle Rezeptoren Immunkomplexe aus Antigenen und Antikörpern binden, an der Reifung der B-Zellen beteiligt sind.

Zur Entstehung der FDCs gab es bisher zwei Hypothesen, die das spontane Auftreten der Zellen überall im Körper erklären sollten: Die eine besagte, dass FDCs von zirkulierenden Blutzellen abstammen. Die andere Theorie ging davon aus, dass die bäumchenartigen Zytoplasma-Ausläufer bildenden Immunzellen einem universell vorkommenden Zelltyp entspringen. „Um die Herkunft der FDCs aufzuklären, fehlte lange Zeit ein zuverlässiger Marker“, so Aguzzi. Er und seine Mitarbeiter kamen der Herkunft der FDCs auf die Spur, als sie diese in der Milz mit Mfge8 (milk fat globule epidermal growth factor 8) anfärbten: Der Marker färbte nicht nur reife FDCs, sondern auch Zellen rund um die Gefäßwände.

Aguzzi und sein Team nahmen diese Zellen genauer unter die Lupe. In fünfjähriger Arbeit sammelten sie Beweise dafür, dass FDCs aus perivaskulären Zellen hervorgehen, Erstautorin der Publikation ist Nike Kräutler (Krautler et al., Cell 2012, 150(1):194-206). Ein typischer Marker für Gefäßwandzellen ist PDGFR-ß (platelet-derived growth factor receptor ß). FDCs exprimieren diesen Rezeptor jedoch nicht – möglicherweise verlieren sie ihn während ihres Reifungsprozesses, mutmaßten die Schweizer Wissenschaftler. Sie entwarfen ein Cre/loxP-Rekombinations-System in Mäusen mit dem sie überprüften, ob die Mfge8-positiven Gefäßwandzellen während ihrer Entwicklung PDGFR-ß exprimierten. Die als preFDC bezeichneten Vorläuferzellen erwiesen sich tatsächlich als PDGFR-ß positiv. Einen weiteren Beleg für ihre Annahme erbrachten die Züricher Forscher, indem sie Gefäßpopulationen aus murinem Fettgewebe isolierten und diese in Kollagenschwämmchen in Mäuse transplantierten, die keine FDCs ausbilden können. Nach Auslösung einer Entzündung entwickelten sich in diesen Tieren in den Schwämmchen Lymphfollikel.

„Nachdem wir mittlerweile zahlreiche Methoden zur Aufreinigung der FDCs und verschiedene Mausmutanten hierzu in unserem Labor entwickelt und etabliert haben, wollen wir als nächstes der Biologie der FDCs auf den Grund gehen“, teilt Aguzzi mit. Außerdem plant er mit seiner Gruppe, die Ausbildung von FDCs in verschiedenen Krankheiten, wie Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis, Pankreatitis und Nephritis in Mäusen und Menschen zu beobachten. Auch die Möglichkeiten therapeutischer Ansätze rund um die FDCs will der gebürtige Italiener ausloten. In einem Video erklärt Aguzzi anschaulich die Ontogenese der FDCs – anhand von mit Zuckerguss- und Smarties-verzierten Keksen, gebacken von seiner kleinen Tochter und deren Freundin.


Melanie Estrella
Bild: suze / photocase.com



Letzte Änderungen: 24.07.2012
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