Editorial

Wie soll es denn heißen?

Auch Histone brauchen anständige Namen, sonst gibt es Chaos

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(20. Juli 2012) Laura, Kevin oder Michelle-Sophie? Dem Kind einen Namen zu geben, ist oft schwierig genug. Was aber, wenn der Nachwuchs schon die Zahl 100 übersteigt und ständig weiter wächst? Dann braucht es gestandene Wissenschaftler, um System in die Sache zu bringen. Eben das haben Paul, Kami, Heike, Brian, Saadi, Prem, Kinga und 35 Kollegen vorgeschlagen. Sie gründeten eine Namensfindungs-Kommission und entwickelten eine Nomenklatur für die ständig wachsende Familie der Histone.

In den „guten noch gar nicht alten Zeiten“ war es mit den Histonen ganz einfach. Man kannte fünf Histonfamilien. 1975 schuf man eine Nomenklatur dafür, und seither heißen sie H1, H2A und B, H3 und H4. Es sind die Proteine, die gemeinsam wie Mini-Kabeltrommeln die endlosen DNA-Fäden aufwickeln und so Ordnung ins Chaos im Zellkern bringen. Inzwischen identifizierte man aber zig weitere Histonvarianten in zig verschiedenen Organismen, die zig andere Aufgaben übernehmen: etwa bei der Transkription, der Chromosomentrennung, der Reparatur und Rekombination von DNA, der ADP-Ribosylierung, der geschlechtsspezifischen DNA-Aktivierung und so weiter.

Leider war man aber bei der Namensgebung der neuen Varianten ziemlich kreativ, was zu einiger Verwirrung führte. So kann man beispielsweise H2Bv von Plasmodium ziemlich einfach mit H2BV von Trypanosoma verwechseln, obwohl die beiden Varianten nicht eng miteinander verwandt sind. Auch gibt es Fälle, wo das gleiche Protein verschiedene Namen bekommen hat. „Neue Histonvarianten wurden von den Entdeckern benannt, manchmal nach ihrer Funktion, manchmal nach Familienzugehörigkeit aufgrund von Sequenzsimilaritäten. Es gab bisher keine einheitliche Regelung, deshalb gab es Histone, die mit einer Nummer endeten, zum Beispiel H3.1, und andere, die mit einem Buchstaben endeten, zum Beispiel H2A.X“, schrieb uns eine der Autorinnen, die Molekularbiologin Sandra Hake vom Center for Integrated Protein Science Munich (CIPSM) an der Ludwig-Maximilians-Uni München, in einer E-Mail. Und weiter: „Um ein Beispiel zu nennen: im Menschen gibt es H2A.Z, in der Bäckerhefe Htz1, in der Spalthefe Pht1. Man muss also alle Namen kennen um sich über die Funktion einer Histonvariante in verschiedenen Organismen zu informieren.“

Daher hat die Histon-Gemeinde einen Vorschlag für eine neue Nomenklatur gemacht, zunächst nur für die Proteine, denn die dazu passenden Genfamilien sind noch komplizierter. Im Prinzip liest sich das so: Man hat auf die historischen Namen zurückgegriffen, es bleibt also bei H1 bis H4. Als besonders wichtig erklärten die Forscher eine konsistente Nutzung von Interpunktion, die die phylogenetische Verschiedenheit und Verwandtschaft dokumentiert. Die Anzahl zusätzlicher Zeichen soll strikt begrenzt werden. Lediglich H2A.X und cenH3 dürfen aus der Reihe tanzen, weil deren Bezeichnung in der Wissenschaftlergemeinde seit langem eindeutig ist. Die Details kann man in dem Paper nachlesen (Talbert et al., Epigenetics Chromatin 2012, 5:7). So würde jedenfalls aus dem Arabidopsis-Protein SPKK-bearing H2As2 schlicht ein H2A.W.6.

Ob sich der neue Code durchsetzen wird? Dazu schrieb uns Co-Autor Andreas Ladurner vom Department of Physiological Chemistry an der LMU: „Die Tatsache, dass man hier global zusammen gearbeitet hat um sich auf etwas Gemeinsames zu einigen, wird auch garantieren, dass sich die neuen Namen durchsetzen werden. Deshalb hat die Publikation auch so viele Autoren. Die Publikation ist also das Resultat eines „Community Spirit“.


Karin Hollricher
Bild: Karin Hollricher



Letzte Änderungen: 31.07.2012
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