Editorial

Neues aus der Dracula-Forschung

Eine spanische Genetikerin untersuchte das Y-Chromosom der mutmaßlichen Nachkommen des transsylvanischen Blutsaugers.

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Weiter Unklarheit über die Herkunft des Pfählers.

(21. August 2012)  Erinnern Sie sich an die Serie „Beiträge zur Biochemie seltsamer Lebewesen“? Eröffnet wurde sie in Laborjournal 1-2/2005 mit einer in ihrer Tiefe bisher unerreichten Untersuchung der Biochemie des transsylvanischen Grafen Dracula. Das war jedoch nicht das letzte Wort der Wissenschaft zu diesem Phänomen. Inzwischen widmet sich die Forschung der Genetik des Blutsaugers.

 

Genetik hängt mit Geschichte zusammen. Daher zuerst ein Überblick über das Leben des Grafen. Dracula vulgo Vlad III., genannt „der Pfähler“, wurde 1431 im siebenbürgischen Schäßburg geboren. Er war der Sohn des Vlad II. Dracul und der moldauischen Prinzessin Cneaja. Der Beiname Dracul geht wohl auf Vlads Mitgliedschaft im Drachenorden des Sigismund von Luxemburg zurück. Vlad Dracul und damit auch sein Sohn Vlad „der Pfähler“, der spätere Graf Dracula, stammen aus der Familie Basarab.

 

Der Pfähler

 

Vlad „der Pfähler“ wurde 1456 Woiwode (Fürst) der Walachei. Diese Gegend liegt südlich von Transsylvanien und nördlich der Donau und ist heute ein Teil von Rumänien. Als Woiwode versuchte Vlad den Einfluß der Bojaren, der walachischen Adelsschicht, zurückzudrängen. Dazu setzte er durchdringende Maßnahmen ein. So die Pfählung, die ihm seinen Namen gab. Er hatte diese Methode als Geisel beim türkischen Sultan kennengelernt und es scheint ihm tatsächlich gelungen zu sein, die Korruption in der Walachei zu unterbinden.

 

Als der Sultan versuchte, seinen Einfluß über die Donau hinaus auszudehnen, rief der Papst 1460 zu einem Kreuzzug auf. Allein Vlad leistete Folge (obwohl er gar nicht katholisch war). Er stellte seine Tributzahlungen an den Sultan ein, ließ eine türkische Gesandschaft totschlagen und pfählte Türken, die sich in der Walachei aufhielten. 1462 kam es zum Krieg. Vlad vernichtete mehrere türkische Abteilungen. Selbst das türkische Hauptheer unter Führung des Sultans erlag seiner Guerillataktik. Die Türken mußten abziehen. Das ist eine gewaltige Leistung Vlads, wenn man bedenkt, daß die Türken 1396 bei Nikopol das mächtige ungarische Heer samt der Blüte des französischen Adels in Stücke geschlagen hatten.

 

Zwölf Jahre Gefangenschaft in Ungarn

 

Wegen einer Intrige der walachischen Adligen gegen ihn mußte Vlad dennoch – gleich nach seinem Sieg – zum ungarischen König fliehen. Der ließ ihn für die nächsten zwölf Jahre gefangen setzen. 1474 verheiratete er Vlad mit seiner Cousine Ilona und ernannte ihn zum Heerführer. Anfang 1477 fiel Vlad im Kampf.

 

Der Pfähler war zweimal verheiratet. Einmal mit einer transsylvanischen Adligen, das zweitemal mit der erwähnten Cousine des Königs von Ungarn. Aus der ersten Ehe entsproß ein Sohn aus der zweiten zwei. Wahrscheinlich erreichten alle Söhne das Fortpflanzungsalter. Vlad der Pfähler oder Graf Dracula hat also sein Y-Chromosom weitergegeben. Das gleiche gilt für Vlads Halbruder Radu, ebenfalls aus der Familie Basarab.

 

Die spanische Genetikerin Begona Martinez-Cruz hat nun versucht, die zweifellos interessanten Eigenarten des Y-Chromosoms Vlads zu charakterisieren (Martinez-Cruz et al., PLoS ONE 7(7): e41803). Sie stieß dabei auf methodische Schwierigkeiten.

 

Direkte DNA-Analyse nicht möglich

 

Eine direkte Analyse der Dracula-DNA ist nicht möglich, da der Verbleib der Gebeine des Adeligen unbekannt ist. Der Kopf soll, in Honig eingelegt, dem Sultan überbracht worden sein. Der Rest soll in einem Kloster bestattet worden sein, ist aber verschollen. Auch der Aufenthaltsort der Gebeine von Vater, Großvater und Halbbruder Vlads sind nicht bekannt. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß das Pfählen von Vampiren mittels Eichenpflöcken den Vampirkörper in Gänze zu Staub zerfallen läßt. Möglicherweise existieren die Gebeine der walachischen Fürsten gar nicht mehr.

 

Die männliche Nachkommenschaft des Vlads?

 

Darüber scheint schlecht Buch geführt worden zu sein: es ist kein lebender Mann bekannt, der mit Sicherheit in direkter Linie von Vlad dem Pfähler abstammt. Martinez-Cruz et al. verfielen darauf, möglichst viele Träger des Familiennamens Basarab zu untersuchen. Sie konnte in Rumänien 29 Träger ausfindig machen.

 

Die Single Nucleotide Polymorphismen (SNPs) und Short Tandem Repeats (STR) der Y-Chromosomen dieser Namensträger wurden mit jenen gewöhnlicher Rumänen verglichen. Es handelt sich um 131 SNPs und 19 STRs im nicht-rekombinanten Teil des Y-Chromosoms. Das Ergebnis: Die meisten Basarab-Namensträger wiesen die Y-Haplogruppen E-V13, I-P37.2, und J-M241 auf. Alle sind typisch rumänische Haplogruppen. Mit anderen Worten: Es ist kein Unterschied feststellbar zwischen den Trägern des Familiennamens des Grafen Dracula und gewöhnlichen Rumänen – jedenfalls nicht im Y-Chromosom.

 

Herkunft aus verschiedenen genetischen Linien

 

Des weiteren weise nach Martinez-Cruz et al. die Heterogenität der Basarab-Haplogruppen daraufhin, daß die Träger dieses Namens aus verschiedenen genetischen Linien stammen.

 

In der Tat muß, wie Martinez-Cruz et al. weiter ausführen, der Familienname Basarab nicht unbedingt auf eine Abstammung aus dem Fürstenhaus Basarab hinweisen. Er kann auch eine Herkunft aus Bessarabien anzeigen (das seinen Namen von den walachischen Fürsten erhielt) oder das Bestreben, sich mit einer vornehmen Herkunft zu schmücken. Das Standesamt hilft hier nicht weiter: In Rumänien wurde die Verwendung von Familiennamen erst 1895 Pflicht.

 

Dracula hat sich seiner Entdeckung wieder erfolgreich entzogen.

 

Hubert Rehm



Letzte Änderungen: 07.09.2012
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