Editorial

Biofirmen im Portrait: Surflay Nanotec (Berlin)

Manche Geschichten klingen zu schön, um wahr zu sein. Diese hier handelt im beschaulich grünen Technologiepark Berlin Adlershof.
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(16. Juli 2013) Man merkt es sofort: Lars Dähne, Firmengründer und Geschäftsführer der Surflay Nanotec GmbH, ist ein Original. Der gebürtige Berliner kommt schnell ins Plaudern, und was er erzählt, ist nicht nur kurzweilig, sondern auch eine Erfolgsgeschichte.

Nach Chemiestudium, Promotion über organische Farbstoffchemie und einem Postdoc-Aufenthalt in Japan habilitierte Dähne an der Freien Universität in Berlin. Am MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam arbeitete er später unter dem Physikochemiker Helmuth Möhwald mehrere Jahre an der Weiterentwicklung der sogenannten Layer-by-Layer-(LbL)-Technologie mit. Dieser Begriff bezeichnet das Aufbringen von Polyelektrolyt-Schichten auf geladene Oberflächen. Die Idee war, damit beispielsweise Medikamente zu verkapseln. Firmen wie Bayer und Henkel signalisierten Interesse, und Möhwald empfahl die Ausgründung aus dem Institut.

Lehrjahre in Fernost

2001 war es soweit. Die Geburtsstunde der Capsulution Nanoscience AG hatte geschlagen. Dort erforschte Mitgründer Dähne als Leiter der diagnostisch-/technischen Abteilung mögliche Anwendungen der neuen LbL-Technologie. Investoren fanden sich schnell – doch ähnlich schnell stellte sich heraus, dass sich die pharmazeutischen Möglichkeiten von LbL in Grenzen hielten: Die LbL-Kapseln sind für kleine Moleküle durchlässig; Medikamente können also nicht eingeschlossen werden.

Laut Dähne sei damals „viel Geld verbrannt“ worden. 2008 schließlich übernahmen die Investoren mehrheitlich das Ruder bei Capsulution und krempelten den Laden gnadenlos um – sehr zum Unwillen der ehemaligen Gründer. Die nicht-pharmazeutische Forschungsabteilung unter Dähne etwa sollte ganz geschlossen werden. Als Mitbegründer hätte er zwar die Chance gehabt, weiter im Bereich der pharmazeutischen Entwicklung von Capsulution zu arbeiten, erzählt er, seine Mitarbeiter aber sollten entlassen werden.

An diesem Punkt entschied sich Dähne dafür, auszusteigen und sich mit eigenem Konzept selbstständig zu machen. Und er wäre wohl nicht er selber, hätte er damals nicht hoch gepokert. Denn von Investoren, die einem das Steuerruder aus der Hand nehmen, hatte er erstmal genug.

Poker um den Neustart

Geprägt durch die Erfahrung, dass Wissenschaftler und Investoren oft nicht dieselbe Sprache sprechen, sollte seine neue Firma ohne Investoren auskommen. Mit „gesundem Menschenverstand“ habe er einen Businessplan entworfen, so Dähne, und sich dann im September 2008 mit dem Vorstand und den Rechtsanwälten seiner Ex-Firma getroffen. Seine Bedingungen: Übernahme der nicht-pharmazeutischen Lizenzen und bestehenden Aufträge, anfängliche Weiterbenutzung von Laborräumen und -geräten. Natürlich wurde er hart angegangen, was ihn „viele Nerven“ gekostet habe. In „knallharten Verhandlungen“ habe er klargemacht, erzählt Dähne, dass er als Miteigentümer den Entscheidungen um Capsulution nicht zustimmen würde, solange er seine Bedingungen nicht bewilligt bekäme.

Irgendwann einigte man sich. „Pro forma“ habe er auf 5.000 Euro verzichtet und flugs seine neue Surflay GmbH gegründet, in die er auch die Mitarbeiter seiner ehemaligen Capsulution-Arbeitsgruppe übernahm. Man merkt Dähne den Stolz an, es mit seinem Konzept geschafft zu haben – ohne Investoren und ohne Schulden. Letzteres unter anderem auch, weil alle inklusive Dähne selbst „recht wenig“ verdienten.

Eine von den übernommenen Mitarbeitern ist Claudia Aldenhoven. Sie ist promovierte Biologin und zuständig für die administrativen Angelegenheiten bei Surflay. Sie sitzt neben dem Chef im Büro und es herrscht gute Stimmung. Aldenhoven sagt, an Surflay würden mittlerweile mehr Projekte herangetragen als mit zwölf Mitarbeitern zu schaffen sei.

Expandieren will Dähne dennoch nicht, ein stabiles Umfeld sei ihm wichtig. Diese Bodenständigkeit scheint Teil seines Charakters zu sein. Mit seiner Ex-Firma hat er sich längst ausgesöhnt. 2011 holten ihn die neuen Besitzer gar in den Aufsichtsrat von Capsulution.

Dass die Auftragslage von Surflay gut aussieht, verdankt Dähne zweierlei: der vielfachen Projektförderung durch BMBF und EU sowie einem dichten Netz von Wissenschaftlern und Industriepartnern. Letztere kämen mit mannigfachen Fragestellungen auf seine Firma zu. Gerade in den letzten Jahren hätten sich für die LbL-Technologie neue Anwendungsmöglichkeiten ergeben.

Die Layer-by-Layer-Technologie

Dähnes Firma verdient ihr Geld mit der Beschichtung von Oberflächen. Damit erzeugt sie neuartige Trennmaterialien, Wirkstoffverkapselungen, Enzym-Immobilisierungen sowie sensorische und diagnostische Partikel.

Die erwähnte LbL-Methode nutzt die elektrostatische Anziehung geladener Polymere (Polyelektrolyte) an entgegengesetzt geladenen Oberflächen. Die meisten Oberflächen sind negativ geladen. Beim Produktionsprozess wird deshalb als erstes eine (positiv geladene) wässrige Polykationen-Lösung zugegeben. Die Ladungsänderung limitiert die Adsorption, weshalb immer dieselbe Schichtdicke entsteht.

Als nächstes folgt eine (negativ geladene) Polyanionenlösung. Dieser Beschichtungsvorgang (positiv-negativ) könne beliebig oft wiederholt werden, sagt Dähne. Da es etwa 500 Polyanionen und 50 bis 100 Polykationen kommerziell zu kaufen gäbe, könne man verschiedenste Materialien, aber auch DNA, Proteine oder Nanopartikel miteinander kombinieren. Auf diese Weise können die Schichten etwa besonders stabil, hydrophil oder selbstauflösend sein. Außerdem könne man, so Dähne, die Polymermoleküle über kovalente Bindungen funktionalisieren, also zum Beispiel mit Farbstoffen oder Antikörpern verknüpfen. Dies eröffne die Möglichkeit, ebene, strukturierte, aber auch kolloidale Oberflächen beliebig zu beschichten und somit ihre Funktion zu beeinflussen.

Damit Mutti nicht grün wird

Ein Auftrag von Surflay beschäftigt sich mit Tattoos und Permanent Make-up. Um pfirsichfarbene Wangen zu bekommen, müsse man verschiedene Farben zusammenmischen, erklärt Dähne. Das Problem dabei sei, dass die Farbpigmente verschiedene Oberflächeneigenschaften haben, sodass sie im Körper unterschiedlich schnell abgebaut werden. Im schlimmsten Fall könne das nach einer Weile zur Farbentgleisung führen. Damit dies nicht passiert, versucht Surflay, den Farben durch die LbL-Beschichtung identische Eigenschaften zu geben, sodass die Abbauprozesse im Körper ähnlich verlaufen.

In einem weiteren Projekt sollten Kontrastmittel für Imagingverfahren hergestellt werden. Dazu haben Dähnes Mitarbeiter Luftblasen verkapselt, die im Ultraschall eine hohe zeitliche Auflösung zeigen. Bringt man in die Bläschen zum Beispiel magnetische Nanopartikel ein, können sie auch per Magnetresonanztomographie (MRT) sichtbar gemacht werden. Das MRT hat wiederum den Vorteil der hohen örtlichen Auflösung – die Kombination der Eigenschaften brächte in der medizinischen Anwendung also enorme Vorteile. Zugelassen sind die neuen Kontrastmittel allerdings noch nicht – und damit noch fern einer praktischen Anwendung.

Wie kann man gleichzeitig ein guter Wissenschaftler und Unternehmer sein? Woher nimmt ein Grundlagenforscher das Gespür und den Mut, die richtigen geschäftlichen Entscheidungen zu treffen? Dähne meint, er habe schon bei Capsulution viel gelernt. Auch seinem Mentor Möhwald verdanke er viel, etwa in Bezug auf das Knüpfen von Netzwerken.

Über die Wichtigkeit von Netzwerken

Zum Abschluss erzählt Dähne dann noch die Geschichte von seinem Vater, der ihm einmal einen Chemiebaukasten schenkte. Und wie dann eine Zeit später plötzlich in ganz Ostberlin beim Schreiben an der Tafel die Schulkreiden knallten – weil ein kleiner Knirps es schon damals verstanden hatte, Freunde zu einem Netzwerk zusammenzuschließen und so seinen „Erfolg“ zu vervielfachen.

Aber vielleicht sei es gar nicht so klug, alte Schülerstreiche ausgerechnet einer Reporterin zu erzählen, hadert er plötzlich mit sich – immerhin sei er doch jetzt Geschäftsführer einer seriösen Firma.

Er meint dies nicht wirklich ernst, der Herr Dähne.

Text & Foto: Elisa Optiz

(Der Artikel erschien gedruckt in der aktuellen Laborjournal-Ausgabe 7-8/2013 auf den Seiten 46-47)



Letzte Änderungen: 17.08.2013