Editorial

Biotechs kapern den TecDax

Dass die Deutsche Telekom ihre Tochter T-Online von der Börse nehmen will, hat einen wundersamen Nebeneffekt auf die im TecDax notierten Biotech-Werte: Sie werden künftig das zweitwichtigste deutsche Börsenbarometer dominieren.

(11.10.04) Die Börsentage des Internet-Dienstleisters T-Online sind gezählt: Nach viereinhalb Jahren hat dessen Muttergesellschaft Deutsche Telekom den Rückzug vom Parkett beschlossen. Bis Mitte 2005 soll die Aktion erledigt und eventuelle Anlegeransprüche befriedigt sein, danach muß sich die Deutsche Börse AG um einen TecDax-Nachfolger für T-Online bemühen.

Der TecDAX ist als reiner Technologie-Index konzipiert. Mitglied dürfen nur Unternehmen werden, die sich mit Computertechnologie, Telekommunikation, Internet oder Biotechnologie/Medizintechnik beschäftigen (und nicht ohnehin bereits im DAX30 vertreten sind). Ausschlaggebend für eine Aufnahme in den TecDax ist, dass die jeweilige Firma in Sachen Börsenwert ("Marktkapitalisierung") sowie (börslichen) Handelsumsätzen jeweils zu den "Oberen 35" gehört. Das letzte Wort spricht die Deutsche Börse AG.

Qiagen bereits jetzt die Nummer eins im Index

Von den derzeit im TecDax gelisteten 30 Firmen war T-Online bisher mit 9,97 Prozent die am drittstärksten Gewichtete. Platz eins nimmt bereits jetzt Qiagen ein: Mit 1,13 Milliarden Euro (bei einem Kurs von 9,1 Euro/Aktie) ist die Hildener Nukleinsäureaufreinigungs-Company derzeit an der Börse bewertet, auf den Kursverlauf des TexDax nimmt Schwergewicht Qiagen mit immerhin 10,01 % Einfluß.

Auf Platz zwei steht bisher BB Biotech (9,97 % Index-Gewichtung), eine schweizer Beteiligungsgesellschaft. Rang vier nach T-Online nimmt der ebenfalls schweizer Mikrochiphersteller Micronas ein (9,20 %). Siemens' Halbleiter-Tochter Epcos liegt mit 5,70 Prozent auf Platz fünf. Alle anderen TecDax-Unternehmen besitzen derzeit eine Gewichtung von knapp fünf oder weit weniger Prozent. Schlusslicht der 30 TecDax-Firmen ist der Windanlagenhersteller Repower Systems mit lediglich 0,53 Prozent Indexgewichtung.

Mitte 2005 verschwindet T-Online vom Kurszettel. So plant es die Deutsche Telekom. Es ist damit zu rechnen, dass dann ein wesentlich geringer bewertetes Technologieunternehmen in den TecDax nachrücken wird. Damit würde der von der Deutschen Börse als "Pharma & Healthcare" bezeichnete Sektor (viel passender wäre "Biotechnologie und etwas Medizintechnik") zum stärksten Segment des TecDax: Derzeit belegen Qiagen (10,01 %), BB Biotech (9,97 %), der Medizintechnik-Hersteller Draegerwerk (2,72 %), GPC Biotech (2,57 %), Evotec OAI (1,09 %) und Morphosys (0,96 %) insgesamt 27,3 Prozent des TecDax.

Ab 2005 Biotechnologie überproportional?

Nimmt die Deutsche Börse keine größeren Korrekturen vor, so wäre die Biotechnologie ab 2005 mit vermutlich mehr als 30 % im TecDax vertreten und damit die dort mit Abstand stärkste Branche. Ob das besonders viel Sinn macht, sei dahingestellt: Allein der thüringische Technologiekonzern Jenoptik machte 2003 mit seinen 10.400 Mitarbeitern knapp zwei Milliarden Euro Umsatz und verdiente damit ein Vielfaches von dem, was die gesamte(!) deutsche Biotech-Branche im gleichen Jahr erwirtschaftete.

Im TecDax sind die Ostdeutschen mit zarten 2,68 % gewichtet.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 11.10.2004