Editorial

Affenzirkus

Tierversuchsgegner diffamieren einen Bremer Neurobiologen in ganzseitigen Zeitungsanzeigen. Wissenschaftsverbände reagieren empört – zu Recht. Aber nur Transparenz und offensiver Dialog mit den Bürgern kann den Tierschutz-Extremisten den Wind aus den Segeln nehmen.
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(8. Mai 2014) Er ist ein Lieblingsfeind radikaler Tierversuchsgegner: Der Bremer Neurobiologe Andreas Kreiter. Schon seit Jahren tobt der Streit um seine Primatenforschung. Im Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht Kreiters neurobiologischen Versuche mit Makaken jedoch als wissenschaftlich erforderlich und ethisch vertretbar bewertet (siehe diesen Bericht in der ZEIT).

Vielleicht war es ja diese höchstrichterliche Entscheidung, die nun eine Gruppierung der Tierversuchsgegner zu einer neuerlichen, hässlichen Attacke provozierte. Jedenfalls schaltete der Verein „Tierversuchsgegner der Bundesrepublik Deutschland“ ganzseitige Zeitungsanzeigen, unter anderem in der „ZEIT“ und der „FAZ“. In den Anzeigen, die manche Leser durchaus mit einem redaktionellen Text verwechseln könnten, wird in Bezug auf Kreiter dazu aufgerufen, „Tierexperimentatoren mit Verachtung zu begegnen und ihr Handeln öffentlich anzuprangern“; von „mittelalterlichen Foltermethoden“ der Forscher ist die Rede und es wird angezweifelt, ob man Experimentatoren wie Kreiter Menschenwürde zusprechen könne.

Inakzeptable Grenzüberschreitung

Eine „inakzeptable Grenzüberschreitung“ sei diese Anzeige, meint die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen (ein loser Zusammenschluss von 9 deutschen Forschungsorganisationen). Die Anzeige greife „den gesamten Wissenschaftszweig der Biowissenschaften und der Medizin in unhaltbarer Weise an“.

Die Initiatoren der Kampagne bleiben angesichts des Aufschreis der Wissenschaftler unbeeindruckt. Dem Magazin Science schrieb der Vorsitzende des Vereins, Rainer Gaertner, man betrachte die Aktion als großen Erfolg – eben wegen der Reaktionen, die sie erzeugte (siehe hier).

Dass eine Vereinigung wie die Tierversuchsgegner der Bundesrepublik Deutschland zu derartigen Methoden greift, ist weniger überraschend als die Tatsache, dass zwei Leuchttürme der deutschen Zeitungslandschaft den kruden Text abgedruckt hatten. Die Trennung von Anzeigenabteilung und Redaktion ist ein lobenswertes Prinzip. Aber man hätte schon erwarten dürfen, dass die Anzeigenprofis der ZEIT und der FAZ den persönlich diffamierenden Inhalt, der mit „Werbung“ wirklich nichts zu tun hat, entsprechend bewerten und den Abdruck verweigern (Die Süddeutsche Zeitung jedenfalls hatte die Anzeige laut eigener Aussage abgelehnt).

Dialog und Transparenz

Dass die Forschungsorganisationen gegen diesen extremistischen Verbal-Angriff  geschlossen auftreten ist verständlich. Zu Recht weisen sie darauf hin, dass es klare und ethisch begründete Richtlinien gibt, wie die grundgesetzlich garantierten Belange der Forschung einerseits und Tierschutz andererseits abzuwägen sind. Wichtiger ist aber wohl der Hinweis am Ende ihrer Stellungnahme auf die „gesellschaftliche Diskussion zu den Rahmenbedingungen und der Bedeutung von Tierversuchen“.

Die Antwort auf derartige Kampagnen kann jedenfalls nicht sein, dass sich Forscher in die Verschwiegenheit abgeschotteter Tierversuchsanlagen zurückziehen.

In Großbritannien beispielsweise hat man aus üblen Episoden mit Tierschutzextremisten Lehren gezogen, die in ein „Concordat on openness on animal research“ einflossen, eine Vereinbarung von über 40 Forschungsorganisationen, Fachgesellschaften und Pharmaunternehmen für mehr Transparenz und Kommunikation über Forschung mit Tieren.

Forscher, die Tierversuche durchführen, könnten auch durchaus von manchen innovativen Landwirten lernen. Denn viele Bauern haben begriffen, dass maximale Offenheit die beste Antwort auf (oft nur halb-informierte) Kritik an ihren Produktionsmethoden ist; Schweinezüchter installieren Web-Kameras in ihren Ställen, Rindfleisch-Produzenten twittern Bilder ihrer Herden – keine Wiesen-Romantik mit Weichzeichner, sondern Einblicke in den realen Betriebsalltag auf dem Bauernhof. Anderes Beispiel: Die Betreiber eines industriellen Schlachthofs in Dänemark bieten Betriebs-Führungen für Schulklassen und andere Interessierte an. 200.000 Besucher haben den "gläsernen Schlachthof" schon erkundet, wie Spiegel-Online berichtet.

Tierforschung erklären

Wissenschaftler könnten sich daran ein Beispiel nehmen. Jede Gelegenheit, Tierforschung zu erklären und mit dem Bürger zu diskutieren sollte genutzt werden; das passiert zwar durchaus schon jetzt, aber vielleicht noch nicht offensiv genug. Kamerateams, Journalisten, Blogger und Besuchergruppen aller Art sollten gerne gesehene Gäste in allen deutschen Tierforschungsanlagen sein.

Denn eines ist auch klar: von den Machern obszöner Diffamierungskampagnen abgesehen, gibt es auch seriöse Kritik an der stetig zunehmenden Zahl der Tierversuche.  Eine kritische Öffentlichkeit lässt sich mit dem schlichten Hinweis auf „medizinischen Fortschritt“ nicht abspeisen, sie will und muss ganz genau hinsehen dürfen.

Das ist im besten Interesse der Forschung. Denn nur durch Transparenz und Dialog mit den Bürgern kann man den Verleumdungs-Kampagnen mancher Tierschutz-Extremisten wirksam entgegentreten.

 

Hans Zauner


Foto: iStock




Weitere Quellen:

 - Stellungnahme der Wissenschaftsallianz

 - Bericht in der "Ärzte-Zeitung"

 - "Why animal researchers are ending their silence"  (aus Times Higher Education)

 





Letzte Änderungen: 30.09.2015