Editorial

Nano-Striptease

(4.7.15) Proteasen der Leber zerlegen beschichtete Gold-Nanopartikel in ihre Bestandteile. Für die Entwicklung therapeutischer Nanoteilchen könnte das Auswirkungen haben.
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Nanopartikel sollen allerhand Tricks lernen. Sie könnten beispielsweise eines Tages Krebsmedikamente gezielt zum Tumor liefern. Die Idee ist simpel: Das Medikament reist huckepack mit dem therapeutischen Partikel, der die Wirksubstanz nur dort abgibt, wo der Arzt es für nötig hält.

Die technische Entwicklung solcher Nano-Arzthelfer ist aber ganz und gar nicht simpel. Das fängt mit den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Partikel an, die es mittlerweile in vielen verschiedenen Spielarten gibt.

Ein Herz aus Gold

Eine Klasse Nanopartikel, die Forscher für medizinische Zwecke nutzen wollen, besteht aus einem anorganischen Kern, zum Beispiel aus Gold, der in eine Polymer-Hülle eingewickelt wird. Schon länger ist bekannt, dass sich oft eine "Corona" aus Proteinen an solche Partikel anlagert, die das Verhalten des Nanoteilchens verändern kann – positiv oder negativ.

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Häufig nehmen Biotechnologen jedoch an, dass ihre Nanopartikel-Konjugate stabil sind, wenn sie in Zellkultur-Experimenten intakt bleiben.

Aber ein Team um Wolfgang Kreyling (Helmholtz Zentrum München; Foto) und Wolfgang Parak (Universität Marburg) hat sich jetzt angeschaut, was mit der Polymer-Hülle von Gold-Nanopartikeln im Körper von Ratten tatsächlich geschieht (Nature NanotechnologyDOI: 10.1038/nnano.2015.111). Der besondere – technisch aufwendige – Trick war dabei, die Wege von Kern und Hülle separat zu verfolgen. Den Kern markierten die Forscher mit einem radioaktiven Gold- und die Hülle mit einem Indium-Isotop. Die doppelt markierten Partikel wurde in Ratten injiziert, die jeweils zu bestimmten Zeitpunkten getötet und anschließend Organ für Organ analysiert wurden.

Getrennte Wege

Die Markierung des Goldkerns fand sich insbesondere in der Leber wieder. Die Hüllen-Markierung hingegen verteilte sich ganz anders im Körper und wurde zum Teil über den Urin ausgeschieden – ohne den markierten Kern. Die Hülle wurde also zumindest teilweise vom Partikel-Kern abgeknapst. Aber wie und warum?

Um den Mechanismus des Partikel-Striptease aufzuklären, mussten die Münchner und Marburger Forscher dann doch auf in-vitro-Experimente zurückgreifen. In Zellkultur-Experimenten konnten sie zeigen, dass Proteasen aus Endosomen offenbar die Schuldigen sind und die Hülle angreifen. Kreyling und seine Mitstreiter glauben, dass genau das auch in der Leber ihrer Versuchstiere passiert.

Weniger stabil als gedacht

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass auch vermeintlich sehr stabile Nanopartikel-Konjugate bei der Anwendung im Körper ihre Eigenschaften verändern können“, folgern die Autoren.

Was bedeutet die Publikation für die zukünftige Arbeit der Nanopartikel-Forscher? "Das ist eine wichtige Studie. Sie zeigt einige der Herausforderungen auf, denen man bei der Entwicklung von Nanopartikeln für medizinische Zwecke begegnet", so die Einschätzung von Prasad Shastri (Institut für makromolekulare Chemie, Uni Freiburg), der an der Studie nicht beteiligt war.

Allerdings warnt Shastri auch davor, die Ergebnisse zu verallgemeinern, angesichts der Vielzahl verschiedener Nanoteilchen.

"Nanopartikel ist nicht gleich Nanopartikel; es kommt auf die Zusammensetzung und die Oberfläche an", erklärt auch der Pharmakologe Achim Aigner, der an der Uni Leipzig forscht und an der Studie ebenfalls nicht beteiligt war. Partikel, die in Zellkultur-Studien vielversprechend aussehen, können im lebenden Organismus vielleicht nicht mehr überzeugen – und umgekehrt.

"Die Erkenntnis, dass sich Nanopartikel nach in vivo-Applikation verändern können – vor allem auf der Oberfläche – wird mittlerweile vermehrt wahrgenommen. Diese Veränderungen müssen nicht unbedingt ein Nachteil sein; eventuell entsteht damit auch erst die Oberfläche, die einen Nanopartikel besonders geeignet macht."

Die neue Studie zeige jedenfalls, so Aigner, dass mit dem organic surface coating erst einmal etwas verloren gehe, "was vorher mühsam synthetisiert wurde".


Hans Zauner
Foto: Erstautor Wolfgang Kreyling  (c) HMGU

Weitere Quelle:

Pressemitteilung des Helmholtz Zentrums München



Letzte Änderungen: 18.08.2015