Editorial

Buchbesprechung

Sigrid März




Florian Fisch:
Ein Versuch – Genforschung zwischen den Fronten.

Broschiert: 240 Seiten
Verlag: Helden Verlag & Shop; Auflage: 1 (September 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3905748134
ISBN-13: 978-3905748130
Preis: 26 Euro.

Irrationale Debatte

Ist Gentechnik „gut“ oder „böse“? Der Versuch einer Versachlichung.


Ohne Worte... Foto: Greenpeace

Europa hat ein Problem: „Pro oder Kontra, Agrarmulti oder Biobauer, Böse oder Gut.“ Der Schweizer Biologe und Wissenschaftsjournalist Florian Fisch thematisiert in seinem Buch Der Versuch – Genforschung zwischen den Fronten das Dilemma, dass es in der Gentech-Debatte nur ‘entweder/oder‘ gibt – zumindest in der öffentlichen Debatte. Während beispielsweise in den USA bereits seit Jahrzehnten gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen und schadlos verzehrt werden, genieren sich die Bürger Europas und pochen auf ihr Öko-Bio-Gentechfrei-Recht. Welch seltsame Blüten das treiben kann, beschreibt Fisch detailliert anhand der Geschichte des Zürcher Biotechnologen Christof Sautter, der doch nichts anderes wollte als seinen genmanipulierten Weizen im Freiland zu testen. Der Leser begleitet den ETH-Dozenten vom ersten Bewilligungsantrag beim BUWAL (dem Schweizer Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft) im November 1999 über den tatsächlichen Feldversuch im Jahr 2004 bis zur erfolgreichen Publikation der Resultate. In dieser Zeit kämpfte Sautter nicht nur gegen den Stinkbrandpilz im Weizen, sondern auch gegen ausufernde Bürokratie, stimmungsmachende Medien und vandalierende Ökoterroristen. Und gegen Geldsorgen, denn der an sich überschaubare Betrag für den Feldversuch explodiert angesichts der immensen Kosten für Bewilligungsverfahren und Sicherheitsvorkehrungen (wohlgemerkt zum Schutz der Versuchspflanzen!).

Gegen Stinkbrandpilz und Vandalen

Der Leser lernt auf diesem Wege den Menschen hinter dem rationalen Wissenschaftler Sautter („Ich habe bei wissenschaftlichen Resultaten keine Endorphin-Ausschüttungen.“) kennen. Aber nicht nur Sautter selbst kommt zu Wort; auch bekennende Gentechnik-Gegner wie Florianne Koechlin und der ehemalige Direktor des BUWAL, Philippe Roch (der seine politischen Entscheidungen laut Eigenaussage hin und wieder mittels Meditation festigt, bevor er sie verkündet) bietet Autor Fisch ein Forum für ihre Ideen und Intentionen. Trotzdem ist das Werk mitnichten neutral, bisweilen offen parteiergreifend bis reißerisch provokant, und Fisch, im Nebenberuf freier Laborjournal-Mitarbeiter, gibt auch offen zu: „[Mein Buch] nimmt Stellung für eine Partei, die sich schwertut, ihre Position klar zu vermitteln: die Wissenschaft.“

Neben all den emotional geführten Kontroversen bleibt noch Platz für ein wenig Historie und Grundlagen der Gentechnik, für Hintergründe und Gesetze und – für Glauben. Und so resümiert der Biochemiker und Mitochondrien-Experte Gottfried Schatz in seinem Nachwort: „Der Kampf zwischen Glauben und Wissen zieht sich wie ein tragischer roter Faden durch die menschliche Geschichte.“




Letzte Änderungen: 09.11.2015