Editorial

Auf's Putzen verzichten

Modifizierte Sanger-Sequenzierung

Klaus Witter


Klaus Witter und Mitarbeiterinnen

Klaus Witter umgeben von seinen nicht nur charmanten sondern auch in der Sanger-Sequenzierung erfahrenen Mitarbeiterinnen (v.l.) Tatjana Albert und Mareen Kutsch sowie der Laborleiterin Andrea Dick.

Wer Zeit und Geld sparen will, sollte seine Protokolle entrümpeln und überflüssige Schritte rausschmeißen.

Auch in Zeiten von Next-Generation- und Next-Next-Generation-Sequenzierung schlägt sich so mancher Forscher noch immer mit der altehrwürdigen Sanger-Sequenzierung herum. Aufgrund der klammen Finanzlage selbst an Exzellenz-Universitäten und der damit verbundenen Schwierigkeit, an Großgeräte, wie zum Beispiel Next-Generation Sequenzierer, heranzukommen, wird dies vermutlich auch noch ein Weilchen so bleiben. Da bleibt nur ein Ausweg: Man muss den Sequenzierablauf, neudeutsch „Workflow“, mit möglichst geringem Arbeits-, sprich Pipettier-Aufwand erledigen. Hier ein kleiner Tipp, wie wir im Labor für Immungenetik der LMU München die Kräfte der technischen Angestellten und das Verbrauchsbudget bei der Sanger-Sequenzierung schonen.

Fünf Schritte

Für die Sequenzierung von PCR-Fragmenten sind in der Regel die folgenden Schritte nötig:
  1. PCR ansetzen.
  2. PCR reinigen (Entfernung der Amplifikationsprimer).
  3. Cycle-Sequenzierung ansetzen.
  4. Reinigung der Cycle Seq PCR (Entfernung der überschüssigen farbstoffmarkierten ddNTPs).
  5. Ab in den Sequenzer.

Da Reinigungsschritte zeit- und arbeitsintensiv sind, kann man den Arbeitsprozess am leichtesten beschleunigen, wenn man diese verkürzt – oder einfach weglässt. Wir haben uns deshalb den zweiten Schritt (PCR reinigen) in unserem Sequenzier-Protokoll etwas genauer angeschaut. Die Entfernung der Amplifikations­primer ist zum Einen arbeitsaufwändig und zum Anderen auch nicht billig. Ganz egal ob dazu Silikasäulchen, Gelfiltration, enzymatischer Abbau der Einzelstrang-DNA (Exonuclease I) oder magnetische Beads verwendet werden.

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Nach unserer Erfahrung kann man diesen Schritt getrost weglassen. Warum, verdeutlicht die nachfolgende Berechnung für einen typischen PCR-Ansatz von 10 (11) µl, bestehend aus 5 µl Mastermix , 3 µl DNA und 3 µl Primermix.

Unser Primermix besteht aus 60 µl Primer 1 (10 pmol/µl), 60 µl Primer 2 (10 pmol/µl) sowie 280 µl Wasser. Die Konzentration jedes Primers ist also 1,5 pmol/µl. In der Amplifikations-PCR setzen wir 3 µl Primer ein, das entspricht 4,5 pMol. Bei zwei Primern sind dies knapp 10 pMol. Diese schwimmen in 10 µl (eigentlich in 11 µl), da ja noch DNA und Reaktionsmix dazu kommen. Die Primer-Konzentration in der Amplifikationsreaktion liegt damit bei etwa 1 pmol/µl.


Möglichst viel aufs Gel

Da auch eine 10 (11) µl-PCR Unmengen an Amplifikationsprodukt liefert, benötigt man nur einen Teil davon. Dabei muss man darauf achten, dass das Volumen des anschließenden Verdünnungsschritts noch in das Reaktionsgefäß (200 µl 8er-Tube Strips) passt, um neue Pipettierschritte zu vermeiden. Daher bietet es sich an, eine möglichst große Menge des PCR-Ansatzes auf ein Agarosegel zur Amplifikationskontrolle aufzutragen.

Wir mischen 5 µl Gel Loading Dye mit 5 µl Amplifikations-PCR und tragen diese auf das Gel auf. Die übriggebliebenen 5 µl des Amplifikationsansatzes verdünnen wir 1:11 mit Wasser (50 µl dazu geben). In der Amplifikations-PCR, beziehungsweise in unserem Template für die Cycle-Sequencing-PCR befinden sich demnach nur noch etwa 0,1 pmol/µl Amplifikationsprimer.

Unser Standard-Sequenzieransatz hat ein Gesamtvolumen von 10 µl, bestehend aus 8 µl Reaktionsmix (BDT-Mix, Sequenzier-Primer, Wasser, Q-Solution) und 2 µl Template (die verdünnte Amplifikations-PCR von oben). In der Cycle-Sequencing-PCR sind also maximal 0,2 pMol beziehungsweise 0,02 pmol/µl Amplifikationsprimer enthalten, falls kein PCR-Produkt gebildet worden sein sollte (aber dann kann man sich die Sequenzierung eh schenken) Es gilt also: [ Amp Primer] max = 0,02 pmol/µl.


Lineare Reaktion

Wir geben 2 µl (10 pmol/µl) Sequenzierprimer zur Cycle-Sequenzing-PCR hinzu, das entspricht 20 pMol. Die Konzentration des Sequenzierungsprimers ist: [ Seq Primer ] = 2,00 pmol/µl. Da die Sequenzier-Reaktion linear verläuft konkurrieren die Primer ihren Konzentra­tionen entsprechend:

Formel



Die Amplifikationsprimer können somit maximal zu einem Hintergrund von­­ 1% beitragen. In der Realität ist dieser Prozentsatz sehr viel niedriger, da die meisten Primer bereits bei der Bildung des Amplifikationsproduktes verbraucht worden sind. Keine noch so schöne Sequenz hat jedoch einen Hintergrund, der kleiner ist als 1 %!

Einfach weglassen

Wer also weiterhin die Amplifikations­primer entfernen will, kann dies gerne tun. Wer Geld, Zeit und Arbeitkraft sparen möchte, sollte diesen Schritt weglassen und die gewonnene Zeit sinnvoller einsetzen.

Natürlich bekommt man mit dieser Methode ab und an auch Sequenzen, die anfangs gar nicht gut aussehen. Dies liegt aber nicht an der Methode an sich, sondern ausschließlich an einer unspezifischen Amplifikation und/oder einem unspezifischen, eventuell zu kurzen, mehrfachprimenden Sequenzierprimer. Ein Wechsel des Sequenzierprimers wirkt hier oft Wunder.


Diese beiden Sequenzen aus dem Exon 1 des Gens HLA-DQA1 resultierten aus einer Sanger-Sequenzierung mit dem verkürzten Protokoll. Das Signal/ Hintergrund-Verhältnis ist 2,69 % bzw 1,91 %, die Auswertung erfolgte mit der Software uType. - Klicken zum Vergrößern





Letzte Änderungen: 27.10.2011