Editorial

Linear + linear = kloniertes Protein

Rekombineering mit linearisierten Vektoren

Angelina Scheck


T4

Die Rekombinationssysteme von Bakteriophagen kann man für das Rekombineering einsetzen. Phagen, wie hier T4, machen sich aber auch nicht schlecht als Skulpturen im Vorgarten.

Wenn Sie die Synthese von Sekundärmetaboliten in Organismen untersuchen wollen, die im Labor partout nicht wachsen wollen, sollten Sie nicht gleich die Flinte ins Korn werfen.

Durch immer effizientere DNA-Sequenzierungs-Methoden wächst der Berg neuer Genome, die darauf warten, näher untersucht zu werden stetig an. Dies gilt insbesondere für die zahllosen Sekundärmetaboliten-Synthesewege, die in diesen Genomen schlummern und die nicht nur für die Arzneimittelforschung interessant sind. Da diese häufig durch große Operons reguliert werden und zu allem Überfluss meist in schlecht zu kultivierenden Organismen anzutreffen sind, ist man bei ihrer Erforschung auf wirtsunabhängige sowie effektive Expressions- und Klonierungsmethoden angewiesen.

Rekombination mit Rekombineering

Eine Methode, mit der man Genabschnitte sehr präzise in Expressionsvektoren klonieren kann, ist das so genannte Rekombineering. Bei dieser Technik nutzt man die Exonuclease Redα und das Annealing-Protein Redβ aus dem Red-Operon des Phagen Lambda, um lineare DNA durch homologe Rekombination in einen zirkulären Expressionsvektor einzufügen. Als Wirt dient hierbei E. coli. Ein zweites Protein-Paar, das häufig für das Rekombineering eingesetzt wird, besteht aus der Exonuclease RecE und dem Annealing-Protein RecT des Rac-Prophagen.

Die homologe Rekombination erfolgt in beiden Systemen über zwei so genannte Homologie-Arme an den Enden des linearen Fragments. Die Sequenz dieser Arme entscheidet, an welcher homologen Stelle das lineare Fragment in den Vektor integriert wird. Sowohl für das Red- als auch das Rec-System ist hierfür eine Armlänge von etwa 30 Basenpaaren ausreichend.

Eine Gruppe um den Rekombineering-Pionier Francis Stewart vom Biotechnologie Zentrum der TU Dresden war mit den bestehenden Rekombineering-Verfahren jedoch nicht zufrieden und entwickelte eine effektivere Variante (Fu et al., Nature Biotechnology, 2012, 30, 440-48). Statt eines zirkulären verwenden Stewarts Leute einen linearisierten Expressions-Vektor und setzen diesen für die Rekombineering-Reaktion mit dem linearen Genfragment ein. Das ganze nennen sie linear-plus-lineare homologe Rekombination (LLHR); die bisherige Technik ist demzufolge eine linear-plus-zirkuläre homologe Rekombination oder LCHR. Das Reaktions-Prinzip bleibt das selbe, die Mechanismen sind aber etwas verschieden. So funktioniert die LLHR-Reaktion unabhängig von der Replikations-Maschinerie, während diese für die LCHR-Reaktion unerlässlich ist.

Vollständig oder verkürzt

Darüber hinaus ist die Effektivität der Red- und Rec-Systeme bei der LLHR- und LCHR sehr unterschiedlich. Stewarts Gruppe testete die Ausbeuten von LCHR und LLHR mit verschiedenen Red- und Rec-Proteinen. Dabei stellte sich zum Beispiel heraus, dass die LCHR-Reaktion mit dem kompletten Red-Operon (vervollständigt durch Redg) am effektivsten ist.

Die Exonucleasedomäne von RecE, das etwa vier Mal so groß ist wie Reda, befindet sich innerhalb des letzten Protein-Drittels. Um zu sehen was passiert, wenn man von dem Protein etwas „abschnippelt“, verwendete Stewarts Gruppe eine verkürzte RecE-Versionen für die Rekombineering-Reaktion. Dabei fiel ihr auf, dass sich die RecE-Verkürzung sehr unterschiedlich auf LLHR- und LCHR-Reaktion auswirkte. So waren die Ausbeuten bei der LCHR mit der verkürzten Version RecE602 höher als mit dem vollständigen Protein, bei der LLHR war es genau umgekehrt. Hier war das vollständige RecE-Protein etwa 20mal effektiver.

Rezirkularisierende Vektoren

Ein Problem bei der LLHR ist die Rezirkularisierung der linearisierten Klonierungsvektoren, die sich negativ auf die Ausbeuten auswirkt und den Hintergrund erhöht. Die Ursache hierfür sind zum Beispiel repetitive DNA-Sequenzen, die zur intramolekularen Rekombination und Rezirkularisierung beitragen. Da hierfür bereits acht übereinstimmende Basenpaare ausreichen, lässt sich die Rezirkularisierung bei der LLHR nur schwer vermeiden. Besonders stark macht sich dies bei längeren Fragmenten bemerkbar. Dieses Problem kann man jedoch elegant umgehen, indem man die Effektivitäts-Unterschiede zwischen vollständigen und verkürzten RecE-Proteinen ausnutzt und eine Kombination aus LCHR und LLHR für die Klonierung einsetzt.

Kombinierte Methoden

Ausgangspunkt dieser Technik ist verdaute genomische Bakterien-DNA, die durch eine PCR mit Homologie-Armen versehen wird. Das RecET-System (mit RecE in voller Länge) baut diese in einen linearen Expressionsvektor ein (LLHR-Schritt), der neben einem Resistenzmarker auch ein von einem induzierbaren Promotor kontrolliertes Red-Operon beherbergt.

Die rekombinierten Vektoren selektioniert man über den Marker. Anschließend verwendet man diese, zusammen mit einem linearen PCR-Produkt, das einen weiteren Resistenzmarker enthält, in einer LCHR-Reaktion mit dem Red-System. Selektioniert man nachfolgend nach dem ersten und zweiten Marker, kann man rezirkularisierte Klonierungsvektoren ausschließen. Die Wirtszellen exprimieren das gewünschte Protein schließlich über einen zweiten induzierbaren Promotor.

Nicht nur bei Sekundärmetaboliten

Durch geschickte Kombination von LLHR und LCHR sind so auch größere Genfragmente zugänglich – Stewarts Gruppe klonierte ein Fragment mit 52kB – an denen die PCR oder die de novo-Synthese scheitert.

Die Methode beschränkt sich aber nicht auf das Klonieren von Proteinen, die eine Rolle bei der Synthese von Sekundärmetaboliten spielen. Sie ist auch für andere Klonierungen geeignet, etwa von cDNA oder künstlich erzeugten bakteriellen Sequenzen (BACs). Je nach Anwendung muss man dabei auf ein anderes Wirtssystem ausweichen und das Verfahren entsprechend anpassen.




Letzte Änderungen: 07.10.2012