Editorial

Eingespieltes Montageteam

Rekombinante RuBisCo

Andrea Pitzschke


Methoden

Forscher versuchten bisher vergebens die Ribulose-1,5-bisphosphat-Carboxylase (RuBisCo) von Pflanzen in E. coli zu exprimieren. Der Gruppe von Manajit Hayer-Hartl ist dieses Kunststück jetzt gelungen.

RuBisCo kommt in allen photosynthetisch aktiven Organismen vor und ist vermutlich das häufigste Enzym der Erde. Als geschwindigkeitsbestimmendes Enzym der CO2-Fixierung katalysiert es die Carboxylierung eines C5-Körpers zu einem C6-Körper, der in zwei Moleküle 3-Phosphoglycerat zerlegt und dem Anabolismus zugeführt wird.

RuBisCo geht bei der Carboxylierung sehr gemütlich zu Werke, entsprechend niedrig ist die katalytische Konstante (turnover rate) des Enzyms. Biochemiker versuchen deshalb schon seit langer Zeit RuBisCo auf die Sprünge zu helfen, um die Photosynthese zu beschleunigen und gleichzeitig die Erträge von Nutzpflanzen zu erhöhen. Die Optimierungsansätze scheiterten aber immer an dem komplizierten Zusammenbau des aus acht großen und acht kleinen Untereinheiten aufgebauten Enzyms. Bei den rekombinanten Varianten endete die RuBisCo-Montage mit schöner Regelmäßigkeit in unlöslichen Proteinklumpen, deren Aktivität bei Null lag.

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Für den korrekten Zusammenbau der vielen RuBisCo-Untereinheiten muss ein Räderwerk aus verschiedenen Chaperonen, Chaperoninen sowie Hilfsproteinen perfekt ineinander greifen.
Foto: RIPE

Klar ist, dass Chaperone beim Zusammensetzen der RuBisCo-Untereinheiten mithelfen müssen. Bereits 2010 gelang es der Gruppe von Manajit Hayer-Hartl und Franz-Ulrich Hartl vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, Cyanobakterien-RuBisCo mithilfe von Chaperonen in vitro zu rekonstituieren (Nature 463: 197-02). Das Ehepaar Hartl und ihre Mitarbeiter blieben aber auch am Pflanzen-RuBisCo dran und haben es inzwischen tatsächlich geschafft, ein funktionierendes Arabidopsis-RuBisCo-Enzym in E. coli zu exprimieren (Science 358: 1272-8).

Pflanzliche RuBisCo ist in den Chloroplasten lokalisiert. Die jeweils acht großen (RbscL) und acht kleinen (RbscS) Untereinheiten des Komplexes werden durch diverse Chaperone und Hilfsproteine gefaltet und an die richtigen Plätze navigiert. Schon viele Forscher haben sich die Zähne daran ausgebissen, die RuBisCo-Bausteine und deren Platz-Zuweiser im richtigen Verhältnis und unter passenden Bedingungen in einem Expressions-System unterzubringen. Sie wussten zwar, dass spezielle Chaperone, die sogenannten Chaperonine, dabei eine wichtige Rolle spielen. Aber erst dem Team der Hartls gelang es, das Zusammenspiel der Chaperone und Chaperonine so zu koordinieren, dass der Zusammenbau funktionierte.

Verteilt auf drei Plasmide

Um pflanzliche RuBisCo als rekombinantes Enzym herzustellen, platzierte das Team die notwendigen Operons für die Komponenten auf drei Plasmiden und schleuste diese in E. coli ein. Das erste Plasmid codierte für die RbcL- und RbcS-Untereinheiten von Arabidopsis thaliana, deren Expression von einem Arabinose-induzierbaren Promotor gesteuert wurde. Um die Translation anzuheizen, platzierte die Gruppe eine Ribosomen-Bindestelle am Anfang der codierenden Sequenz. Hierdurch erreichte sie, dass E. coli nach der Arabinose-Induktion gleiche Mengen AtRbcL8 und AtRbcS8 produzierte, die ihrem stöchiometrischen Verhältnis im fertigen AtRbcL8S8-Komplex entsprachen.

Die Operons auf den beiden anderen Plasmiden wurden von einem T7-Lac-Promoter kontrolliert. Das zweite Plasmid steuerte ein ganzes Chaperon-Quartett bei, und zwar die Chaperone Raf1, Raf2, RbcX und BSD2. Plasmid Nummer drei codierte für die drei Chloroplasten-Chaperonine AtCpn60alpha, AtCpn60beta und AtCpn20, die ebenfalls mit Ribosomen-Bindestellen ausgestattet waren.

Die Auswahl der Chaperone war wohlüberlegt: Das Raf1-Homolog aus Cyanobakterien werkelt (downstream von Chaperoninen) am Zusammenbau von RbcL zum RbcL8-Oktett mit. Von Raf2 weiß man, dass es ebenfalls mitwirkt, wenn auch nicht wie. BSD2 trägt einen Zinkfinger, der dem Chaperon DnaJ ähnelt. Es hat seine Finger bei der Regulation der RbcL-Translation mit im Spiel.

Beim Zusammenbau der RuBisCo-Komponenten folgte das Martinsrieder-Team der Strategie: Erst die Bauarbeiter zusammentrommeln, dann den Baustoff liefern. Dies erreichte es durch die Induktion der Chaperon(in)-Synthese mit IPTG für drei Stunden. Danach transferierte die Gruppe die E.coli-Zellen in frisches, IPTG-freies Medium, um durch Arabinose-Fütterung die Synthese von RbcL und RbcS anzukurbeln.

Die Forscher überprüften systematisch, ob wirklich alle pflanzlichen Bauhelfer für die RuBisCo-Produktion nötig waren oder bakterielle Faktoren einspringen konnten. Dazu analysierten sie Zellextrakte von E. coli-Zellen mit der nativen PAGE-Elektrophorese, die entweder nur AtRbcL und AtRbcS exprimierten, oder auch die zusätzlichen Chaperone auf den zwei weiteren Plasmiden. Als Kontrolle diente RuBisCo aus Arabidopsis-Blättern. Nur bei den Zellextrakten von E. colis, die alle drei Plasmide enthielten, tauchte eine Proteinbande auf Höhe der RuBisCo-Kontrolle auf. Dass die gereinigte, rekombinante RuBisCo tatsächlich aus den RbcL- und RbcS-Untereinheiten bestand, zeigte die Gruppe mit einem zusätzlichen SDS-PAGE-Gel.

In Carboxylierungs-Assays mit dem 14C-markierten Substratanalog Carboxyarabinitol-1,5-bisphosphat (CABP) erzielte das rekombinante RuBisCo ähnliche Vmax- und CO2-Affinitäts-Werte wie das native Enzym. Und auch die massenspektrometrische Analyse lieferte ein positives Ergebnis: Wie im Original aus Arabidopsis fehlten der rekombinanten RbcL-Untereinheit die ersten beiden Aminosäuren; von ungewollten posttranslationalen Modifikationen gab es keine Spur.

Aber wie austauschbar sind die Faltungshelfer der Chloroplasten? Schließlich kommen ähnliche Chaperone und Chaperonine in allen Organismen vor und könnten RuBisCo vielleicht sogar noch geschickter zusammenfügen. Zur Klärung dieser Frage ließ die Gruppe systematisch zunächst je eines der Chloroplasten-Chaperonine weg oder ersetzte es durch ein homologes Protein aus Bakterien. Für die Analyse verwendete die Gruppe die native PAGE sowie Carboxylierungs-Assays. Aus den Ergebnissen schloss das Team, dass die Chaperonine AtCpn60alpha und AtCpn60beta unersetzlich sind. Die Funktion von AtCpn20 kann aber auch das Chaperonin GroES aus Bakterien übernehmen.

Welche Helfer sind essentiell?

Und wie schaut´s mit den übrigen Montagehelfern Raf1, Raf2, RbcX und BSD2 aus, die Plasmid Nummer zwei beisteuerte? Existieren auch für diese Alternativen in E. coli? Erneut warfen die Martinsrieder ihre Kultur-Fabriken an, ließen systematisch einen der vier Faktoren weg und untersuchten Erfolg oder Misserfolg der RuBisCo-Synthese mit der nativen PAGE. Als einziger verzichtbarer Baustein offenbarte sich RbcX. Allerdings schrumpfte die Ausbeute von RbcL8S8 auf die Hälfte, wenn ­RbcX fehlte. Ohne Raf1, Raf2 oder BSD2 lief dagegen gar nichts.

Funktionieren diese drei unersetzlichen Chaperone vielleicht universell? Dann müsste man immer nur das erste Plasmid mit dem Operon für RbcL und RbcS austauschen, um RuBisCo aus jeder gewünschten Pflanze nachzubauen. Schön wärs, geht aber nicht. E.colis, die RbcL und RbcS aus Nicotiana tabacum exprimierten, produzierten fertige RuBisCo viel lieber, wenn Raf1 ebenfalls von Tabak, und eben nicht von Arabidopsis stammte.

Offenbar entwickelte die Evolution die RuBisCo-Bausteine und Faltungshelfer als aufeinander eingespieltes Team. Vielleicht besteht aber dennoch eine gewisse Kompatibilität zwischen verwandteren Spezies. So könnte man zum Beispiel Arabidopsis-Chaperone für die rekombinante Synthese von Raps- oder Radieschen-RuBisCo einsetzen – einen Versuch wäre es wert.

Komplizierter Zusammenbau

Bevor man dies ausprobiert, sollte man den Zusammenbau von RuBisCo jedoch möglichst genau verstehen. Wie er vonstattengeht, versuchte die Martinsrieder Gruppe mit spezifischen Antikörpern gegen RbcL sowie BSD2 aufzuklären. Dabei stellte sich heraus, dass sich RbcL mit BSD2 paart, wenn ­RbcS fehlt. Offensichtlich liegen in diesem Fall RbcL8BSD28-Komplexe als stabile Zwischenprodukte vor. Für RbcL ist BSD2 aber nur ein Lebensabschnittsgefährte, der nach der Zugabe von rekombinantem RbcS, dem eigentlichen Partner von RbcL, von diesem abgelöst wird, um einen intakten RbcL8S8-Komplex zu bilden. Wer RuBisCo in vitro nachbauen möchte, sollte daher auf ein ausgewogenes RbcS-zu-BSD2-Verhältnis achten. Zuviel BSD2 bedeutet Konkurrenz mit RbcS um RbcL und somit weniger Ausbeute an RbcL8S8.

Die neuentdeckte Zwischenstufe Rbcl8BSD2 veranlasste die Gruppe Hartl, sich die Kristallstruktur von BSD2, allein und im Komplex, genauer anzusehen. Dabei fand sie eine ausgedehnte hydrophobe Oberfläche auf BSD2 sowie zwei Zinkfinger und deren Interaktions-Flächen mit RbcL8. Mithilfe heterologer Komplexe aus AtBSD2 und RbcL8 (das von dem Cyanobakterium Thermosynechococcus elongatus BP-1 stammte) tastete sich das Team an die Positionen in BSD2 heran, die für die Interaktion ausschlaggebend waren.

Fazit der Untersuchungen: RbscL8S8-Komplexe können sich zwar ganz ohne BSD2 direkt bilden. Bei dieser „Spontan-Heirat“ bleibt jedoch das aktive Zentrum versperrt: Das Enzym ist somit inaktiv. Basierend auf dem vorhandenen Wissen und ihren neuen Ergebnissen entwickelte die Mannschaft um Manajit Hayer-Hartl und Franz-Ulrich Hartl ein Modell, das den Zusammenbau von RuBisCo beschreibt. Demnach landen RbcL-Monomere zunächst in den geschickten Händen der Chaperonine AtCpn60alpha, AtCpn60beta sowie AtCpn20. Diese reichen RbcL weiter an Raf1 und RbcX, die daraus Dimere, Tetramere und schließlich das komplette RbCL8-Oktamer formen. An Letzteres hängt sich BSD2 an und verdrängt alle bisherigen Bauhelfer. Es bindet vorübergehend RbcL8, macht es damit für RbcS empfänglich und dissoziiert vom fertigen RbcL8S8-Komplex ab. Übrig bleibt RuBisCo mit freiem aktiven Zentrum.

Mit ihrer ausgefeilten Technik für den In-vitro-Zusammenbau von AtRuBisCo liefert die Gruppe von Manajit Hayer-Hartl und Franz-­Ulrich Hartl das Werkzeug für die weitere Verbesserung des Enzyms sowie dessen Massenproduktion. Warum RuBisCo ein so heißer Kandidat ist, liegt auf der Hand: Die Optimierung des ­Enzyms könnte in landwirtschaftlichen Nutzpflanzen Wachstum und Ernte steigern und würde insbesondere Dürre- und Hitze-bedingte Ernteeinbußen mindern.






Letzte Änderungen: 04.04.2018