Editorial

Lagerung wertvoller Klone

Klönlein, Klönlein in der Hand...

von CORNEL MÜLHARDT


... kaum sprach ich so, der Klon verschwand: Wie man im Schweiße seines Angesichts erkämpfte Klone lagert.

Auch wenn in unseren Zeiten das Klonieren an Stellenwert verloren hat, eine tagefüllende Beschäftigung ist es noch immer. Die einzelnen Schritte sind mittlerweile banal – man amplifiziert, schneidet, ligiert, transformiert und isoliert Kolonien; innerhalb von zwei Tagen hat man seinen Klon, folglich kann der Verlust eines solchen nicht so schlimm sein...


Gewußt wie

Wir wissen natürlich alle, dass das nicht stimmt, sonst würde nicht immer wieder eine solche Hektik im Labor ausbrechen, wenn ein wichtiger Klon nicht dort zu finden ist, wo man ihn eigentlich vermutete. Denn auch wenn die Herstellung banal ist, so tut man sich ohne das entsprechende Ausgangsmaterial schwer, und weil die damals benutzten Primer schon längst verschollen sind und die cDNA von einst in einem Tube mit der Beschriftung "h..A..1.." lagert, umgeben von Tubes, die die Aufschrift "r...r...7.." oder "m......1" tragen, wobei jedes "r" auch ein verwischtes "m" sein könnte und jede 1 eine verwischte 7 und der Fleck zwischendrin überhaupt keinem Buchstaben mehr zuzuordnen ist...

Sie wissen was ich meine. Das sind die hochnotpeinlichen Momente, die man seinem Chef nicht beichten kann, weil dann unweigerlich die Frage kommen wird, warum in Ihren Kartonboxen so ein Chaos herrscht! Ja warum eigentlich? Vermutlich wieder mal zu viel genialer Geist am Werk. Abgesehen davon, dass die meisten der nicht identifizierbaren Tubes aus der Sturm- und Drang-Zeit des Chefs stammen, aber klar, dazu darf man wieder nichts sagen... Wir entfernen uns vom Thema.

Wie also vermeidet man, einen sauer erkämpften Klon zu verlieren? In der Flüssigkultur, die Sie für Ihre letzte Plasmidpräparation verwendet haben, überleben die Bakterien auch bei guter Kühlung leider nicht länger als eine Woche, was für Lagerungszwecke höchst unbefriedigend ist. Außerdem machen sich häufig nach wenigen Tagen Hefen in der Kultur breit, das stinkt und bringt die Bakterien um so schneller um. Doch sind wenige Tage besser als nichts – es empfiehlt sich daher, die Kulturröhrchen nicht sofort nach der erfolgreichen Minipräp zu entsorgen, sondern zwischenzulagern - und einmal wöchentlich das Lager auszusortieren!


Auf der Agarplatte, von der Sie den Klon ursprünglich gepickt haben, halten sich die Bakterien im Kühlschrank immerhin vier Wochen, sofern sie nicht vorher ausgetrocknet ist. Das passiert vor allem dann, wenn man mit Petrischalen "mit Nocken" arbeitet, das sind so kleine Stege im Deckel, die für die Belüftung sorgen. Die Platten müssen dann mit Parafilm verschlossen werden. Nicht vergessen, die Platten kopfüber (bzw. upside down, wie es in korrektem Neudeutsch heißt) zu lagern, weil die Agarschicht häufig so dick ist und die Platten nach dem Gießen so schlecht getrocknet wurden, dass die Petrischale binnen einer Woche einem Aquarium für Arme gleicht.

Mit einer Haltbarkeit von vier Wochen eignet sich die Agarplatte auch ganz gut als Lagermedium für Flüssigkulturen, die entsorgt werden müssen, von deren Bakterien man sich aber noch nicht endgültig verabschieden möchte. Circa acht Klone lassen sich mit der Impföse bequem auf einer Agarplatte ausstreichen und nach Übernachtkultivierung ins Zwischenlager überführen.


Sparen, sparen, Platz sparen

Platzsparender sind die Agar-stabs, das sind kleine Kryogefäße mit Schraubverschluss, wie man sie aus der Zellkultur kennt und die man zu zwei Dritteln mit sterilem stab-Agar (LB-Medium mit 0,6 Prozent (w/v) Agar) füllt. Die Gefäße kann man wie Petrischalen auf Vorrat gießen und bei Raumtemperatur lagern. Die zu lagernden Bakterien werden mittels sterilem Zahnstocher aus der Flüssigkultur überführt, indem man einfach mehrfach beherzt in den Agar hineinsticht und das Röhrchen wieder verschraubt.

Die Lagerung erfolgt bei Raumtemperatur, was oft einen ungeheuren logistischen Vorteil bedeutet, weil Kühlschrankplatz Mangelware ist. Angeblich sollen die Bakterien auf diese Weise jahrelang überleben, in meinen Händen waren allerdings mehr als drei Monate unrealistisch. Hat irgendjemand da draußen andere Erfahrungen gemacht? Bitte schreiben, diese Divergenz zwischen Literatur und eigener Erfahrung hat mir nämlich immer schon Kopfzerbrechen bereitet.


Väterchen Frost als Mittel der Wahl

Will man seine Bakterien wirklich lange aufbewahren, dann gibt es allerdings nur eine Möglichkeit: tieffrieren. Sie haben die Wahl zwischen Glycerin- und Dimethylsulfoxid-Stocks; DMSO lässt sich leichter pipettieren, stinkt allerdings mehr. Dazu mischt man 1 ml frische Bakterienkultur und 1 ml Glycerinlösung (65 Prozent Glycerin / 0,1 M MgSO4 / 25 mM TrisHCl) oder 1 ml siebenprozentige DMSO-Lösung, gibt das Ganze in ein Tube und friert die Bakterien in flüssigem Stickstoff ein. Die Lagerung erfolgt bei minus 70 °C. Wichtig sind dabei zwei Dinge: dass man Tubes mit fest verschließbarem Deckel verwendet (gewöhnliche Tubes "poppen" später wieder auf) und dass man sich ein Ordnungssystem zulegt, das einem erlaubt, sich auch in vier Jahren noch zurechtzufinden, weil Tiefkühlschränke zu den unübersichtlichsten Dingen überhaupt gehören, vor allem, wenn erst mal alles mit einer dicken Eisschicht überzogen ist, was spätestens nach einem halben Jahr der Fall sein dürfte.

Kleine Frage am Rande: Hat eigentlich noch niemand versucht, Bakterien zu lyophilisieren? Was bei Hefen klappt, sollte eigentlich auch mit Bakterien funktionieren. Bitte melde dich!

Alles einigermaßen aufwendig, weshalb ich meine Klone lieber in Form von DNA bei minus 20 °C lagere. Sofern man sauber gearbeitet hat und die DNA nucleasefrei ist, überlebt sie auf diese Weise sogar einen längeren Stromausfall. Allerdings sollte die Konzentration möglichst über 0,1 µg/µl liegen, weil es bei niedrigeren Konzentrationen schon mal vorkommen kann, dass die DNA zerbröselt; die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Andererseits sollte die Konzentration auch nicht allzu hoch sein, weil sonst im Falle eines DNA-Engpasses garantiert irgendjemand auf die Idee kommt, man könne ja auch die DNA aus dem Stock für den ach so wichtigen Verdau verwenden. Ein Teufelskreis!

Das Salz in der Suppe

Eine interessante Alternative ist die "Pökel-DNA". Chaotrope Salze inaktivieren bekanntlich Proteine, ohne der DNA zu schaden. Man kann also eine stattliche Menge an DNA (z. B. 10 µg) mit 5 Volumen dieses Puffers versetzen, der Teil der Kits ist, mit denen man z. B. DNA aus Agarosegelen oder PCR-Ansätzen reinigt, und dieses Gemisch bei 4 °C oder Raumtemperatur lagern, bis der rechte Zeitpunkt gekommen ist, um die DNA-Reinigung zu ihrem Ende zu bringen. Die Methode ist recht schnell, aber zu mühselig, um sich "mal eben so" zu bedienen.


Zu guter Letzt: alles in trockenen Tüchern

Wer seine Plasmid-Präps mit diesen praktischen Kits durchführt, kann auch einfach das kleine Säulchen, das dabei eingesetzt wird, aufheben. Bei der Elution gewinnt man nur etwa 90 % der DNA, die restlichen 10 % bleiben auf dem Säulenmaterial hängen – genug, um später mittels einer zweiten Elution ausreichend Material für eine erneute Transformation zu gewinnen.

Und wenn wir schon bei der Trockenlagerung von DNA sind: Die banalsten Methoden sind mitunter die interessantesten. Zum Beispiel die "Monica-Lewinsky-Methode". Dazu reicht ein Stück sauberes, sprich nucleasefreies Filterpapier, auf das man einen Tropfen DNA-Lösung pipettiert. Hat man die Stelle mit einem Stift markiert, kann man sie später ausschneiden und die DNA in Wasser eluieren; die Ausbeute reicht aus für ein paar Transformationen. In dieser Form lassen sich Plasmide sogar rund um die Welt schicken.

Nur bitte nicht in die USA! Der Große Kämpfer für das Gute (GroKäGu) ist durch unseren aggressiv friedenslüsternen Kanzler bereits so weit gereizt, dass er das wiederholte Versenden von Filterpapier als Einsatz von Massenvernichtungswaffen missverstehen könnte. Und das wäre mir wirklich sehr unangenehm. Schließlich wird der Irak-Krieg nicht ewig dauern!

Lob, Kritik, Beschwerden und Anmerkungen wie immer an: cornel.muelhardt@web.de




Letzte Änderungen: 08.09.2004