Editorial

Proteinseparation mit Affinitäts-Tags, Teil 3

Ein Tag, um Großes zu vollbringen

Kay Terpe


Mittelgroße und große Affinitäts-Tags werden häufig eingesetzt, um Fusionsproteine zu isolieren. Lernen Sie die Stärken und Schwächen dieser Tags kennen.

Im zweiten Teil der Proteintrennung mit Affinitäts-Tags (Laborjournal 09/2004) ging es um die kleinen Affinitäts-Tags; hier nun die mittelgroßen und großen Tags. Mittelgroße Tags bestehen aus 13 bis 60 Aminosäuren, Tags mit mehr als 60 Aminosäuren sind große Tags. Zu den Mittelgroßen zählen das S-Tag, HAT-Tag, Calmodulin-Binde-Peptid, Chitin-Binde-Peptid und einige Cellulose-Binde-Domänen. Letztere können bis zu 189 Aminosäuren umfassen und gelten dann wie das GST und MBP-Tag als große Affinitäts-Tags.

Zum S-Tag. Es ist 15 Aminosäuren lang mit der Sequenz KETAAKFERQHMDS. Das Tag bindet an das S-Fragment der RNaseA. Die Bindung ist so stark, dass Sie mit 3 M Guanidin-Thiocyanat oder 0,2 M Citrat bei pH 2 eluieren müssen. Diese Bedingungen überstehen die wenigsten Proteine. Besser, Sie trennen das immobilisierte Fusionsprotein mit einer Protease von der Matrix. Das S-Tag wird gerne für die Detektion verwendet, da es sensitive Assays ermöglicht. Herauszustellen sind hypersensitive Substrate, die in Kombination mit HTS-Systemen verwendet werden. Meist wird allerdings das S-Tag mit einem zweiten Affinitäts-Tag verwendet, das sich besser für die Proteinreinigung eignet.

Das HAT-Tag besitzt die Sequenz KDHLIHNVHKEFHAHAHNK. Im Prinzip ist das HAT-Tag ein Polyhis-Tag. Nur hat man zwischen den sieben verwendeten Histidinen jeweils eine bis drei andere Aminosäuren gesetzt. Das HAT-Tag wird wie das His-Tag über Adsorptionschromatografie (IMAC) gereinigt (siehe Laborjournal 09/2004). Eluiert wird mit 150 mM Imidazol. Dies liegt deutlich unter den 250 mM, die normalerweise für die Elution eines His-getaggten Proteins eingesetzt werden.


Chromatographie am Leibchen

Das Calmodulin-Binde-Peptid CBP wurde das erste Mal 1992 beschrieben. Es bindet Calmodulin in Anwesenheit von 0.2 mM CaCl2 mit nanomolarer Affinität. Man kann daher stringent waschen und unerwünschte Proteine abtrennen. Eluiert wird mit 2 mM EGTA. Allerdings ist die Bindung so stark, dass die Elution häufig nicht gelingt. In diesem Fall eluieren Sie mit 2 mM EGTA und 1 M NaCl. Das System eignet sich gut für die Expression und Reinigung in Bakterien. In Säugerzellen hingegen gibt es eine Reihe endogener Proteine, die kalzium-abhängig an Calmodulin binden. Diese Proteine werden dann mitgereinigt.

Cellulose-Binde-Domänen (CBD) werden ebenfalls - wenn auch seltener - als Tags eingesetzt. Die Gruppe ist heterogen und die Größe der Domäne kann von vier bis 20 kDa variieren. Cellulose ist inert, billig, zeigt nur geringe unspezifische Bindung und ist in verschiedensten Formen erhältlich - sogar als Leibchen bei Laborjournal.

Es gibt drei Familien. Die CBD-Tags der Familie I binden kristalline Cellulose so stark, dass man denaturierend mit Harnstoff oder Guanidinhydrochlorid eluieren muß. Sie können aber in einem moderaten pH-Bereich von 3,5 bis 9,5 arbeiten. Die CBD der Familien II und III hingegen lassen sich von der Cellulose schon mit Ethylen-Glykol eluieren, das man per Dialyse wieder entfernen kann. Sanfter geht's kaum. Rekombinante CBD-Hybride können Sie in Bakterien, Hefen, Insekten und Säugerzellen produzieren.

Eine weitere Domäne für die Proteinreinigung ist die Chitin-Binde-Domäne (ChBD) von Bacillus circulans. Die ChBD besteht aus 51 Aminosäuren und bindet - oh, Wunder! - an Chitin. Das ist der Stoff aus dem die Insekten ihre Kleider nähen. Die über eine ChBD an Chitin gebundenen Proteine können Sie mit hohen Salzkonzentrationen oder Detergenzien waschen, ohne dass die Proteine sich ablösen.

Gängige Reinigungssysteme mengen dem Elutionspuffer niedermolekulare Substanzen bei, die die Affinitäts-Tags von der Säule verdrängen. Die ChBD-Tags dagegen werden mit Inteinen eingesetzt. Das Intein wird zwischen das Target-Protein und die Chitin-Binde-Domäne gesetzt. Nach der Bindung des Fusionsproteins an der Chitin-Matrix werden 30 bis 50 mM Reduktionsmittel wie DTT oder Mercaptoethanol zugegeben. Die spalten die Bindung zwischen ChBD und Protein über Nacht bei 4 °C. Zur Expression und Reinigung über das Intein-System nur soviel: Das System ist für E. coli-Expression etabliert, dennoch muß es für jedes Protein optimiert werden.


Große Tags, große Probleme

Kommen wir zu den großen Tags, zum Beispiel zum Glutathion S-transferase- oder GST-Tag. Es ist 26 kDa groß und wurde das erste Mal 1993 beschrieben. Das GST bindet an Glutathion, das wiederum an eine Matrix wie Sepharose gebunden ist. Eluiert wird mit reduziertem Glutathion unter physiologischen Bedingungen. In vielen Fällen erhöht das Tag Stabilität und Löslichkeit des Proteins. Ist das Fusionsprotein aber größer 100 kDa, erhält man wahrscheinlich Inclusion-Bodies und damit ein Problem.

Ein Problem kommt selten allein. So auch hier: Wenn Sie E. coli-Stämme verwenden, die nicht Protease defizient sind, können Ihnen diese das GST anknabbern. Des weiteren können die Fusionsproteine dimerisieren.

GST-Fusionsproteine können in Bakterien, Hefen, Insektenzellen und Säuger zellen exprimiert werden.

Wegen der Größe des Tags kann der Wunsch entstehen, selbiges vom Protein abzuspalten. Dafür gibt es PreScission- Protease, Thrombin und Factor Xa. Nach der Spaltung müssen Sie Proteasen und Zielprotein voneinander trennen. Am einfachsten gelingt dies mit der PreScission-Protease. Die besitzt ebenfalls ein GST-Tag und spaltet das Fusionsprotein direkt auf der Säule: Ihr Protein eluiert, die Protease bleibt hängen. Thrombin oder Factor Xa müssen in einem zweiten Reinigungsschritt mit Benzamidin abgetrennt werden.

Das GST-Tag wird gerne in Wechselwirkungsstudien zwischen DNA/Protein sowie Protein/Protein verwendet.


Das Riesen-Tag

Der größte Affinitäts-Tag ist das Maltose-Binde-Protein oder MBP mit 40 kDa. Es wurde zuerst 1988 beschrieben. Die MBP-Fusionsproteine binden an eine Amylose-Matrix und werden mit 10 mM Maltose eluiert. Das MBP-Tag erhöht die Löslichkeit des Zielproteins. MBP empfiehlt sich wenn man eukaryotische Gene in E. coli heterolog exprimieren will. Wie schon beim GST besteht auch hier die Gefahr, dass schon während der Expression das MBP vom Zielprotein abgespalten oder proteolytisch verdaut wird.

Gerne wird das MBP-Tag für die Expression und Reinigung von Proteindomänen eingesetzt. Wie GST wird MBP häufig mit den Proteasen Thrombin und Faktor Xa abgespalten. Nach der Abspaltung des Tags fallen die Domänen allerdings gerne aus, ein Phänomen, dem der Forscher in der Regel mit Mißfallen gegenüber steht, denn ausgefallene Proteine lassen sich zum Beispiel schlecht kristallisieren. Tun läßt sich wenig gegen das Ausfallen, aber sie können sich unnötige Weiterarbeit ersparen, indem Sie zuvor feststellen, ob ausgefallen oder nicht. Dazu genügt es, den Verdau eine halbe Stunde bei 100.000 g zu zentrifugieren. Ist noch alles im Überstand, haben Sie gewonnen.


Immer beliebter: Double-Tag-Kombinationen

Beliebt sind Kombinationen von MBP mit kleinen Affinität-Tags. Überhaupt erfreuen sich Double-Tags einer zunehmenden Beliebtheit. Die Ansprüche der Forscher - oder deren Betreuer - nehmen ja zu: Die Proteine sollen immer reiner werden. Porentief rein im zweiten Waschgang! - und so unterwirft man häufig die Proteine noch einem zweiten Chromatographie-Schritt.

Damit ist Schluß mit der Trilogie. Sie sind froh und ich bin es noch mehr. Glauben Sie aber nicht, daß Sie jetzt alles über Tags wissen. Es gibt noch weitere Tags und es werden noch welche erfunden werden und es mag Tricks geben, von denen weder ich noch Sie eine Ahnung haben. Dennoch hoffe ich, Sie nicht allzusehr gelangweilt zu haben.

Für Kritik und Anmerkungen bin ich nach wie vor empfänglich und bitte an k.terpe@t-online.de mailen.


Letzte Änderungen: 05.12.2004