Editorial

Optischer Mauerfall
Produktübersicht: Höchstauflösende Mikroskopie

Alle Produkte im Überblick pdficon

Die optische Nanoskopie, oder wie unser­ Nationalcoach und Botschafter des Alemannischen Jogi Löw sagen würde, die „höggschtauflösende“ Mikroskopie, ist dabei die Mikroskopie von Zellen zu revolutionieren.

Vor genau 140 Jahren formulierte der Eisenacher Physiker und Optiker Ernst Abbe in einer 56 Seiten langen Abhandlung über die Theorie des Lichtmikroskops eine physikalische Gesetzmäßigkeit, an der sich Generationen von Mikroskopentwicklern die Zähne ausbeißen sollten. Abbe notierte in seinem Werk, „dass die Unterscheidungsgrenze für centrale Beleuchtung doch niemals über den Betrag der ganzen, und für äusserste schiefe Beleuchtung niemals über den der halben Wellenlänge des blauen Lichts um ein Nennenswerthes hinausgehen wird.“ Mit anderen Worten: die Auflösungsgrenze bis zu der ein (Weitfeld-) Lichtmikroskop zwei benachbarte Punkte in der x,y-Ebene auseinanderhalten beziehungsweise auflösen kann, liegt bei ungefähr 200 Nanometern.

Nur drei Stellschrauben

Interessanterweise beschreibt Abbe die Auflösungsgrenze nur mit Worten, vielleicht ahnte er schon damals, dass viele Biologen mit physikalischen Formeln auf Kriegsfuß stehen. Ihre mathematische Gleichung ist jedoch nicht allzu kompliziert und lautet: d = λ/(2⋅n⋅sin&alpha);. Hierbei steht d für die Auflösung, λ ist die Wellenlänge des Lichts, n der Brechungsindex und &alpha der halbe Öffnungswinkel des Objektivs (Aperturwinkel); n⋅sin&alpha bezeichnen Optiker auch als numerische Apertur des Objektivs.

Der Mikroskopentwickler hat also auf den ersten Blick nur drei Optionen, um möglichst nah an die Auflösungsgrenze heranzukommen oder sie sogar zu überwinden: er muss die Wellenlänge verkleinern oder Brechungsindex und numerische Apertur vergrößern. Aus der ersten Überlegung resultierte das Elektronenmikroskop, dessen Auflösung bei etwa 0,1 Nanometer liegt. Die kurzwelligen, energiereichen Elektronenstrahlen und das für die Elektronenmikroskopie nötige Vakuum vertragen sich aber ganz und gar nicht mit der Untersuchung lebender Zellen. Dass man den Brechungsindex mit einem Tropfen Zedernholzöl (oder einem anderen Immersionsöl) zwischen Objekt und Objektivlinse erhöhen kann, wusste schon Abbe. Mit diesem Trick lässt sich die Auflösung aber nur marginal verbessern.

Zwei Objektive

Bleibt noch die Idee, den Aperturwinkel aufzuweiten.Diese führte Anfang der neunziger Jahre zu den Vorläufern der höchstauflösenden Mikroskope, den sogenannten Konfokalen Laser Scanning 4Pi Mikroskopen. Bei diesen benutzt man zwei gegenüberliegende Objektive und beleuchtet das Objekt Punkt für Punkt mit einem Laserstrahl von allen Seiten. 4Pi-Mikroskope erreichen eine Auflösung entlang der optischen Achse (z-Achse) von bis zu 140 Nanometern, was etwa dreimal besser ist als bei einem normalen Lichtmikroskops. Die laterale Auflösung (x,y-Ebene) lässt sich aber auch mit der 4Pi-Technik nicht entscheidend steigern.

Die Optiker in den Entwicklungslaboren der Mikroskophersteller ergaben sich offensichtlich in ihr Schicksal und sahen keine weitere Chance, die Abbe‘sche Auflösungsgrenze zu überwinden. Wie so oft in der Geschichte der Wissenschaft mussten es Quereinsteiger und Außenseiter richten, die sich nicht von scheinbar unumstößlichen Gesetzmäßigkeiten beeindrucken ließen. Sie brachten eine neue physikalische Größe ins Spiel, an die die betriebsblinden Optikexperten der Mikroskop-Firmen nicht dachten: den Faktor Zeit.

In höchstauflösenden Mikroskopen werden die Objekte nicht wie in Standard-Licht- oder Fluoreszenz-Mikroskopen gleichzeitig beleuchtet oder zur Fluoreszenz angeregt, sondern zeitversetzt. Liegen zwei fluoreszierende Lichtpunkte in einer Zelle näher zusammen als die Auflösungsgrenze, kann das normale Fluoreszenzmikroskop sie nicht auseinanderhalten, weil sie zeitgleich aufleuchten. Blitzen sie jedoch kurz hintereinander auf, wie in höchstauflösenden Mikroskopen, lässt sich ihr Abstand auch jenseits der Barriere exakt rekonstruieren.

Auf diesem Prinzip basieren im Grunde alle höchstauflösenden Lichtmikroskope. Technisch umgesetzt hat es als einer der Ersten Stefan Hell, der mittlerweile Direktor am MPI für Biophysikalische Chemie in Heidelberg ist. Hell konstruierte in den neunziger Jahren das so genannte Stimulated Emission Depletion- oder kurz STED-Mikroskop, das Feinheiten weit jenseits der Abbe‘schen Grenze auflöst.

Das STED-Mikroskop tastet das Objekt in winzigen Schritten mit einem Laserstrahl ab, der fluoreszenzmarkierte Moleküle in der Probe zur Emission anregt. Im Gegensatz zu Konfokalen Mikroskopen werden jedoch nicht alle Fluorophore innerhalb des Laserpunkes angeregt, sondern nur eine Teilpopulation im Zentrum des Strahls. Die Emission der kreisförmig um das Zentrum liegenden, angeregten Fluorophore löscht ein zweiter so genannter STED-Laserstrahl aus. Da der Durchmesser des hieraus resultierenden Fluoreszenzpunktes deutlich kleiner ist als die Auflösungsgrenze, kann das STED-Mikroskop in biologischen Proben fluoreszenzmarkierte Moleküle auseinanderhalten, die nur 15 Nanometer voneinander entfernt liegen.

Bei der STED-Mikroskopie schaltet man fortlaufend alle Fluorophore im Zentrum eines Laserstrahls an und aus, um ein höchstaufgelöstes Bild des Objekts zu erzielen. Ein anderes Konzept verfolgt die von den amerikanischen Forschern Eric Betzig und Harald Hess ebenfalls in den neunziger Jahren ausgetüftelte Lokalisations-Mikroskopie. Bei dieser bringt man nur einzelne, verstreut liegende fluoreszenzmarkierte Moleküle zum Leuchten. Die prominentesten Vertreter dieser Technik sind die Photoaktivierte Lokalisations-Mikroskopie (PALM) und die Stochastische Optische Rekonstruierungs-Mikroskopie (STORM).

Im PALM-Mikroskop regt ein schwacher UV-Laserstrahl gerade so viele photoaktivierbare GFP-Proteine (PA-GFP) zur Emission an, dass pro Auflösungsvolumen (aus x,y und z-Achse) nur ein einziges GFP-Protein aufleuchtet. Nachdem eine CCD-Kamera die Positionen der einzelnen Fluoreszenzpunkte aufgenommen hat, löscht man ihre Fluoreszenz wieder aus. Dieses Spiel aus Aktivieren, Registrieren und Ausbleichen wiederholt man so lange mit jeweils neuen PA-GFP-Teilmengen, bis der angeschlossene Computer aus den Positionen der blinkenden Moleküle ein höchstaufgelöstes Bild des Objektes errechnen kann. Mit der Lokalisations-Mikroskopie sind laterale Auflösungen von wenigen Nanometern möglich, die axiale Auflösung erreicht mit zusätzlichen optischen Tricks etwa 20 bis 100 Nanometer.

Spiel mit Beleuchtungsmustern

Eine dritte Spielart des höchstauflösenden Mikroskops erfand der 2011 leider früh verstorbene schwedische Biophysiker Mats Gustafsson um die Jahrtausendwende. Sein Strukturiertes Beleuchtungs-Mikroskop (SIM) nutzt Moiré-Muster, um die Auflösungsgrenze zu umgehen. Diese lassen sich zum Beispiel erzeugen, in dem man ein Beugungsgitter zwischen Beleuchtungsstrahl und Objekt plaziert und das Beugungsmuster durch die Linse des Objektivs auf das Objekt projiziert. Anschließend verrückt man Objekt und Beugungsmuster in winzigen Schritten relativ zueinander und nimmt bei jedem Schritt ein Bild mit einer CCD-Kamera auf. Aus den erhaltenen Bildern rekonstruiert der mit einem entsprechenden Algorithmus gefütterte Computer schließlich ein höchstaufgelöstes Gesamtbild des Objekts. Die maximale Auflösung der SIM-Mikroskopie erreicht etwa 100 Nanometer in der x-y-Ebene und 250 bis 350 Nanometer entlang der z-Achse.

Praktisch jeder große Mikroskophersteller hat inzwischen eine oder mehrere Varianten dieser drei Grundtypen der höchstauflösenden Lichtmikroskope im Angebot. Da nicht jeder bereit war, die Preise seiner Modelle zu nennen haben wir diese in der nachfolgenden Tabelle ganz weggelassen. Nur soviel sei zu ihnen gesagt: sie sind gesalzen.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 04/2013, Stand: März 2013, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 11.04.2013