Editorial

Mit Teebeutel oder Magnet-Angel
Produktübersicht: Proteinreinigungs-Kits

Proteinreinigungs-Kits im Überblickpdficon

(09.11.2022) Die Reinigung von Proteinen ist in biowissenschaftlichen Laboren Routine. Dennoch arbeiten etliche Gruppen daran, die Methoden weiter zu optimieren. Einige haben sich interessante Lösungen einfallen lassen.

Die klassische Reinigung von Proteinen mit Chromatographie-Säulen ist eine ziemlich aufwendige Prozedur, die neben Erfahrung und Geduld in vielen Fällen auch eine hohe Frustrationstoleranz voraussetzt. Hat man Glück, genügt schon eine Ionenaustausch-Chromatographie mit einer gängigen DEAE-Sepharose-Säule, um das gewünschte Protein mit einer ausreichenden Reinheit aus dem Zelllysat zu isolieren. So einfach machen es Proteine dem Experimentator aber nicht immer. Dann geht das große Rätselraten los, welche Säule als nächste drankommen soll: eine mit schwachem oder starkem Kationen-Tauscher oder doch besser die mit dem Anionen-Tauscher? Wenn auch die versagen, wird die Lage des Proteinputzers schon etwas brenzliger. Aber vielleicht läuft es ja mit einer Hydroxylapatit-Chromatographie oder einer Säule mit hydrophober Matrix besser.

Umgehen lässt sich dieser mühsame und oft steinige Weg der Ionenchromatographie mit Affinitäts-Verfahren, die die starke Bindung eines Liganden, etwa eines Antikörpers oder Rezeptors, an das zu reinigende Protein ausnutzen. Am einfachsten und effektivsten funktioniert die Strategie mit rekombinanten Proteinen, die als Fusionsproteine mit einem kleinen Anhängsel (Tag) exprimiert werden.

p_22_11a
Affinitäts-Harze in Teebeutel zu füllen, um darin Proteine zu reinigen, klingt zunächst kurios. Die Technik funktioniert aber tatsächlich und lässt sich auch auf größere Ansätze übertragen. Foto: Pixabay

Prototyp der Affinitäts-Reinigung ist die bereits 1975 entwickelte Metallchelat-Chromatographie (Immobilized Metal Ion Affinity Chromatography, IMAC), bei der ein Histidin-Tag einen sehr stabilen Chelat-Komplex mit immobilisierten Nickel-Ionen eingeht. Seit Einführung des His-Tags gesellten sich zahlreiche weitere Tags hinzu, etwa der an Amylose bindende MBP-Tag (Maltose-Bindeprotein) oder der GST-Tag (Glutathion-S-Transferase), der von Glutathion eingefangen wird.

Affinitäts-Techniken sind schnell, liefern meist ohne zusätzliche Schritte saubere Proteine und lassen sich problemlos in ein Kit-kompatibles Format überführen. Es ist daher kein Wunder, dass die große Mehrheit der Proteinreinigungs-Kits auf Affinitäts-Methoden fußt. Kits mit fix und fertig für die Reinigung von Proteinen zusammengestellten Puffern, kleinen Säulchen oder Kügelchen (Beads) sind zwar sehr bequem und insbesondere für Routine-Anwendungen äußerst praktisch. Sie sind aber auch teuer, verbrauchen zusätzliche Ressourcen, wie zum Beispiel Plastik- sowie Verpackungsmaterial, und lassen sich in den seltensten Fällen auf größere Proteinmengen erweitern. Die Gilde der Proteinputzer arbeitet daher unermüdlich daran, die vorgefertigten Standardprozeduren zu verbessern – oder durch neue Strategien zu ersetzen, die durchaus auch etwas unkonventioneller sein können.

Teebeutel in Zellkulturlösung

Ein Beispiel hierfür ist die Proteinreinigung mit Teebeuteln. Was sich zunächst nach der spleenigen Idee einer akademischen Gruppe für eine Master-Arbeit anhört, wurde tatsächlich von den Mitarbeitern eines Pharmagiganten entwickelt – genauer von Harm Jan Snijders Team, das an AstraZenecas IMED Biotech Unit in Mölndal (Schweden) neue Ansätze der Proteinreinigung erprobt.

Um Proteine mit der Teebeutel-Technik zu reinigen, füllt man ein Affinitäts-Harz in einen durchlässigen Plastikbeutel und versiegelt ihn mit einem Folienschweißgerät. Anschließend hängt man ihn wie einen Teebeutel direkt in die Zellkulturlösung oder das Zelllysat. Exprimieren die Zellen ein getaggtes sekretorisches Protein, wandert dieses direkt aus dem Kulturmedium in den Beutel und bindet an das Affinitäts-Harz. Nach dem gleichen Muster funktioniert auch die Reinigung intrazellulärer Proteine aus lysierten Zellen. Um die Proteine vom Harz zu lösen, transferiert man den Beutel nach der Inkubation in ein Gefäß und spült ihn mit einer geeigneten Pufferlösung, etwa Imidazol im Fall eines Ni-Harzes (Sci. Rep. 6: 28887). Ein geeignetes Plastikmaterial für die Beutel zu finden, dürfte tatsächlich das größte Problem der Schweden gewesen sein. Der Kunststoff darf keine Proteine anziehen und muss ausreichend große Poren aufweisen, durch die Proteine ungestört in den Beutel diffundieren können – das eingeschlossene Harz darf durch die Maschen aber auch nicht nach außen entweichen. Und zu guter Letzt sollte sich der Beutel auch noch gut verschweißen lassen. Die Gruppe verwendete letztlich ein Filtervlies mit einer Maschenweite von 40 Mikrometern, das all diese Anforderungen erfüllt.

Schneller zum Membranprotein

Die Teebeutel-Technik ist aber nicht auf sekretierte oder cytosolische Proteine beschränkt: Snijders Team isolierte mit ihr auch ziemlich heikle Membranproteine in einer vergleichbaren oder sogar besseren Reinheit als mit üblichen Techniken (Sci. Rep. 10: 16167). Der entscheidende Vorteil ist jedoch das deutlich verkürzte Protokoll: Mit den Teebeuteln dauerte die Reinigung der Membranproteine nur zwei Stunden – statt zehn, wie mit den verglichenen Standardmethoden.

Auch Sonja Berensmeiers Mannschaft an der Technischen Universität München gibt sich mit den üblichen Protokollen für die Proteinreinigung nicht zufrieden. Sie arbeitet kontinuierlich an einfacheren und effektiveren Verfahren, die sich auch auf größere Maßstäbe übertragen lassen.

p_22_11b
Mit Magneten kann man nicht nur allerhand Schrott aus Gewässern ziehen, sondern auch Proteine angeln. Foto: Magnetarshop

Die Münchener fragten sich zum Beispiel, ob man die Oberfläche magnetischer Eisen-Nanopartikel immer aufwendig mit entsprechenden Chelat-Liganden, etwa Nickel-Nitriloessigsäure (Ni-NTA), funktionalisieren muss, um His-getaggte Proteine mit Magneten aus Zelllysaten herausfischen zu können. Das Team nutzte stattdessen reine Eisenoxid-Nanopartikel (BION) und angelte mit diesen ein His-getaggtes Grünfluoreszierendes Protein (GFP) mit einem Magneten aus einem Zelllysat (ACS Omega 4: 3790-99).

Magnetische Nano-Angel

Die mit einem einfachen und kostengünstigen Co-Präzipitations-Verfahren hergestellten Eisen-Kügelchen haben einen Durchmesser von ungefähr zwölf Nanometern und binden sehr spezifisch und mit hoher Affinität an Histidin-Gruppen. Ähnlich wie bei der Metall-Affinitäts-Chromatographie kann man die anhaftenden Proteine nach der magnetischen Trennung mit einem Imidazol-Puffer wieder von den Nanopartikeln eluieren. Berensmeiers Team isolierte mit der magnetischen Angel in einem Schritt His-getaggtes GFP aus einem Lysat mit einer Reinheit von 91 Prozent. Noch ist die magnetische Angeltechnik nur eine Konzeptstudie. Die Münchener setzten sie aber bereits ein, um ein His-getaggtes GFP in einem Ein-Liter-Reaktor mit einem speziellen magnetischen Filter zu reinigen.

Für die Magnet-Angel hatte die Gruppe eigens einen sogenannten (RH)4-Tag entwickelt, der aus vier aufeinanderfolgenden Histidin-Arginin-Gruppen besteht, die an die Eisen-Nanopartikel binden sollten. Basische Aminosäuren wie Arginin interagieren in wässriger Umgebung aber auch mit Silica-Harzen. Das brachte die Arbeitsgruppe auf die Idee, den (RH)4-Tag für das Putzen von Proteinen mit Chromatographie-Säulen zu verwenden, die mit reinem, nicht-derivatisiertem Silica-Harz gefüllt sind. Die Chromatographie mit dem billigen und leicht handhabbaren Silica funktionierte erstaunlich gut. Das Team von der TU München erhielt mit der Silica-Säule mehr als 90 Prozent reines Protein und fand mehr als 94 Prozent des eingesetzten Proteins nach der Chromatographie wieder (Eng. Life Sci. 21: 549-57).

Manchmal kommen neue Proteinreinigungs-Strategien auch aus Laboren, von denen man dies gar nicht erwarten würde. Jüngstes Beispiel ist die Gruppe des Optogenetikers Georg Nagel an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, die den sogenannten improved Light-Induced Dimer (iLID) als Licht-gesteuertes Protein-Dimerisierungs-System für die Reinigung von Proteinen verwendet. Optogenetische Systeme basieren in der Regel auf Protein-Paaren, die bei festgelegten Wellenlängen dimerisieren und sich bei anderen Wellenlängen oder im Dunkeln wieder voneinander trennen. Wie viele andere Dimerisierungs-Systeme nutzt auch iLID die sogenannte LOV (Light, Oxygen or Voltage)-Domäne eines Photorezeptors als lichtempfindliche Komponente und zwar die LOV2-Domäne von Phototropin 1 aus Hafer (Avena sativa, AsLOV2).

AsLOV2 ist mit dem Peptid SsrA aus E. coli fusioniert, das mit sehr hoher Affinität an das Adapter-Protein SspB bindet. Im Dunkeln blockiert jedoch ein Abschnitt der AsLOV2-Domäne die Interaktion von AsLOV2-SsrA mit SspB. Beleuchtet man AsLOV2-SsrA hingegen mit blauem Licht, verändert es seine Konformation und der Weg von SspB zu seinem Bindepartner SsrA wird frei.

Auf die Idee, dieses System für die Proteinreinigung zu nutzen, konnten aber nur ausgefuchste Optogenetiker kommen, zu denen auch Nagels Postdoc Shiqiang Gao gehört, der federführend an der Technik arbeitete. Die Gruppe verankerte AsLOV2-SsrA an der Plasmamembran von Krallenfrosch-Oozyten; das zu reinigende Protein (POI) verknüpfte sie mit SspB und exprimierte das Fusionsprotein (POI-SspB) im Cytosol. Beleuchtet man die Membran-Fraktion, krallt sich AsLOV2-SsrA an das Fusionsprotein und hält es während eines Zentrifugations- und Waschschritts fest. Um POI-SspB wieder von der LOV-Domäne zu lösen, muss der Experimentator nur das Licht ausschalten und das gereinigte Protein in einem entsprechenden Puffer aufnehmen.

Es geht auch einfacher

Mit deutlich weniger theoretischem Ballast kommt eine simple Proteinreinigungs-Technik aus, die sich Ardemis A. Boghossians Team an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) ausdachte. Die Schweizer verwenden für die Proteinreinigung ein vertikales Polyacrylamid-Gel, das nach dem Trenngel eine Schicht mit fünfzigprozentigem Glycerin enthält. Sobald die gewünschten Proteine in der Glycerin-Schicht angekommen sind, saugt die Gruppe sie mit einer Spritze aus dieser ab und konzentriert sie danach mit Zentrifugal-Filtern (bioRxiv doi: 10.1101/2021.03.26.436431, Link). Mit dieser simplen Methode erhielten die Lausanner ähnlich reine Proteine wie mit klassischen Chromatographie-Säulen oder Affinitäts-Verfahren.

Nicht immer ist also eine ausgefallene Technik nötig, um ausreichend saubere Proteine zu erhalten – wobei dies Forscher und Forscherinnen sicher nicht davon abhalten wird, weiterhin an kreativen Proteinreinigungs-Verfahren zu arbeiten.

Proteinreinigungs-Kits im Überblickpdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 11/2022, Stand: Oktober 2022, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 09.11.2022