Editorial

Je kleiner, desto mehr

Zitationsvergleich 1999 bis 2001: Meeres- und Frischwasserbiologie
von Ralf Neumann, Laborjournal 1/2004


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Gegen die marinen Mikrobiologen haben "andere Gewässerbiologen" kaum Chancen im deutschen Sprachraum. Jedenfalls, was die Zitierungen angeht.

Kann man Meeresbiologie und Frischwasserbiologie so ohne weiteres vergleichen? Thomson ISI jedenfalls steckt bei der Auflistung seiner Journal Impact-Faktoren die relevanten Zeitschriften in ein und dieselbe Kategorie. Da steht dann Freshwater Biology knapp hinter Marine Ecology-Progress Series, oder Marine Biology dicht vor dem Journal of Great Lakes Research. Allerdings - es gibt darin auch jede Menge Journals, die Ergebnisse sowohl aus Süß-, als auch aus Salzwasser akzeptieren: Aquatic Toxicology etwa, oder Journals zu spezifischen Organismengruppen wie etwa das Journal of Phycology oder das Journal of Fish Diseases. Und überhaupt: In ihren Impact Faktoren unterscheiden sich all diese Journals nur wenig.

Dennoch, unproblematisch ist der Vergleich trotzdem nicht. Vor allem, da gewisse marine Themen deutlich mehr Zitierungen auf sich ziehen, als es Süßwasser-Projekte überhaupt vermögen. Die zehn meistzitierten Veröffentlichungen der Jahre 1999 bis 2001 mit Beteiligung aus dem deutschen Sprachraum zeigen diese Tendenz ganz deutlich: Plankton und marine Bakterien sind die Top-Themen.


Schwamm drüber

Und so gerät die ganze Sache denn doch ein wenig in Ungleichgewicht: Die Marine Mikrobiologie dominiert deutlich den Vergleich. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, da in Bremen ein Max Planck-Intitut explizit für diese Disziplin steht, das zudem auch international als Top-Institut firmiert.

So ist es kein Wunder, dass sich insgesamt 18 aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter des Bremer MPIs unter den 50 meistzitierten Forschern tummeln. Sechs davon rangieren unter den ersten Zehn, darunter die drei Direktoren Friedrich Widdel (9.), Bo Baker Jørgensen (4.) und - auf dem Spitzenplatz - der Leiter der Abteilung "Molekulare Ökologie", Rudolf Amann. Letzterer dürfte mit insgesamt bald 1.500 Zitierungen seiner Artikel aus den Jahren 1999 bis 2001 sogar zu den meistzitierten Biologen des deutschen Sprachraums überhaupt gehören. Was sicherlich zum einen Amanns Qualitäten als Forscher und Gruppenleiter widerspiegelt, genauso aber die Bedeutung der marinen Mikrobiologie in den gesamten Life Sciences.


Die Top 50 unserer "Gewässerbiologie" wären indes noch um einige Mikrobiologen mehr angereichert, hätten wir noch diejenigen hinzugenommen, die sich schwerpunktmäßig mit Abwasseraufbereitung beschäftigen - Stichwort "Belebtschlamm". Dies schien uns dann aber doch etwas zu weit weg von der Stoßrichtung dieses Vergleichs, und Leute wie der Neu-Wiener Michael Wagner oder der Berliner Uwe Szewzyk werden daher ihre Chance im Zitationsvergleich "Ökologie" bekommen.

Durchbrochen wird die "Bremer Phalanx" innerhalb der Top Ten zum einen durch zwei Mainzer Meeresschwamm-Spezialisten aus dem dortigen Institut für physiologische Chemie: Heinz C. Schröder (10.) und sein "Chef" Werner E. G. Müller (2.). Die Evolution dieser seltsamen Tiere interessiert die Mainzer besonders, genauso aber das pharmazeutische Potenzial bioaktiver Substanzen aus deren Immunsystem.


Wenig Fisch

Zum anderen konnten sich noch zwei Schweizer Kollegen aus der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG), einer Forschungseinrichtung des ETH-Bereichs in Dübendorf, unter die ersten Zehn schieben: Klement Tockner auf Platz 5, sowie James V. Ward einen Platz dahinter. Die beiden Limnologen und Flussbiodiversitäts-Experten sind somit zugleich die bestplatzierten "Süßwasser"-Biologen.

Des weiteren sind da natürlich noch die insgesamt sechs aktuellen oder ehemaligen Forscher des Alfred Wegener-Institus für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Angeführt werden sie von Christian Wiecke aus der Abteilung "Benthische Ökosysteme" auf Platz 15, der vo r allem die Effekte von UV-Strahlen auf marine Algen untersucht.

Einen Platz dahinter folgt der bestplatzierte von insgesamt drei Biologen des Instituts für Meereskunde der Uni Kiel: Ulrich Sommer, der unter anderem gerade als Koordinator das frisch eingerichtete DFG-Schwerpunktprogramm "The impact of climate variability on aquatic ecosystems (AQUASHIFT)" zum Laufen bringt.

Bleiben noch die Limnologen: Neben den bereits erwähnten "Dübendorfern" schafften es noch fünf weitere "Binnengewässer"-Biologen unter die Top 50: Zwei aus dem MPI für Limnologie in Plön, sowie jeweils einer aus den Unis Innsbruck, Wien und Bern.

Eine weitere kleine Untergruppe bilden diejenigen, die sich an Chemischen oder Pharmazeutischen Instituten auf Naturstoffe aus marinen Organismen spezialisiert haben. Vier Forscher dieser Gattung tauchen auf in den Top 50 - am weitesten vorne: Peter Proksch aus der Pharmazeutischen Biologie der Uni Düsseldorf auf Platz 22.

Mit dem, woran jeder Laie sicherlich zuerst denkt, wenn er Biologie und Wasser hört - nämlich mit Fischen -, beschäftigt sich nur einer unter den Top 50: Helmut Segner, Fischpathologe an der Uni Bern, auf Platz 34. Sodass man für die Meeres- und Frischwasserbiologie fast vermuten könnte: Je kleiner der Organismus, desto häufiger die Zitierungen



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Letzte Änderungen: 08.09.2004