Editorial

Tipp 135:
Flotte Lotte für Proteine

Flotte Lotte

In der Küche unverzichtbar aber auch im Labor sehr praktisch: die Flotte Lotte.

Spitzenköche und Marmelade-kochende Omis schwören auf die Flotte Lotte, wenn sie gekochtes Gemüse, Früchte oder Suppen schonend zerkleinern und passieren wollen. Das Prinzip der Flotten Lotte funktioniert en miniature aber auch bei Proteinen.


Tipp: Proteinaufbereitung

Proteomikern reichen wenige Mikroliter kultivierter Zellen oder Zellgewebe, um Tausende darin enthaltende Proteine mit Hilfe der Massenspektrometrie zu erfassen und ihre Mengenverhältnisse in der Zelle zu bestimmen. Bevor die Proteine den Flug durch das Massenspektrometer antreten können, muss man sie jedoch zunächst aus der Probe extrahieren und zu Peptiden verdauen. Dazu verwendeten Proteomiker bisher eine Kombination aus verschiedenen Verfahren, deren prominenteste der In-Gel- und der In-Solution-Verdau sind. Beide Methoden haben Schwächen, unter anderem fallen bei ihnen die Membranproteine häufig unter den Tisch.

Um speziell Letzteres zu vermeiden, entwickelten wir die FASP-Technik (Filter Aided Sample Preparation), die wie eine winzige Passiermühle oder Flotte Lotte funktioniert. Die FASP-Methode ist leicht durchzuführen, alles was Sie dazu brauchen, sind Natrium Dodecylsulfat (SDS), Harnstoff und ein handelsübliches ­Ultrafiltrations-Gerät (Molekulargewichts-Ausschlussfilter) für den Mikromaßstab (Wisniewski et al. (2009) Nat. Methods 6: 359-62).

Im ersten Schritt der FASP löst man die Proteine wie bei der herkömmlichen PAGE mit SDS. Da SDS sehr stark an Proteine bindet, muss man es anschließend aus der Probe entfernen. Dazu nutzt man einen Molekulargewichts-Ausschlussfilter (Proteinkonzentrator), auf dem das SDS mit Harnstoff ausgewaschen wird, während die Proteine im Filter hängen bleiben. Der nächste Schritt basiert auf dem Funktionsprinzip der Flotten Lotte. Statt wie bei dieser gekochtes Gemüse oder Früchte mit einem rotierenden „Propeller“ durch ein Lochsieb zu drücken beziehungsweise zu passieren, filtriert man bei der FASP-Methode Proteine durch eine Ultrafiltrations-Membran. Die Proteine werden noch im Filter durch Enzyme verdaut und in kleinere Peptide zerlegt, die die Membran passieren können, während Verunreinigungen, zum Beispiel Nukleinsäuren zurückbleiben. Das Filtrat enthält annähernd reine Peptidmischungen, die sich hervorragend auf Reverse-Phase Nano-Säulen trennen lassen – eine Grundvoraussetzung für die nachfolgende massenspektromerische Analyse.

Editorial

Editorial

Zu den Vorteilen der FASP-Methode zählen neben der nahezu vollständigen Lyse der Proben, der guten Ausbeute und dem hohen Reinheitsgrad der gewonnenen Peptide auch die Möglichkeit, FASP für Proteinmengen von unter einem Mikrogramm bis zu mehreren Milligramm einzusetzen. Mit FASP lassen sich zudem Proteine analysieren, die in Gegenwart von SDS getrennt wurden. In einer globalen Phosphoproteom-Analyse des Wurms Canorhabditis elegans gelang es uns mit der FASP-Methode fast 7000 Phosphorylierungsstellen in 2400 Proteinen zu identifizieren, die wir vorher über eine Gelfiltrationssäule aufgetrennt hatten (Zielinska et al. 2009, J. Proteome Res. 8: 4039-49). Darüber hinaus ist die Aufbereitung von Proteinen mittels FASP sehr fix. Für die Identifikation von mehr als 7000 Proteinen aus einer menschlichen Zelllinie benötigten wir zum Beispiel nur zwei Tage. Proteome einfacherer Zellkomponenten wie Organellen lassen sich mit FASP in wenigen Stunden untersuchen (Wisniewski et al. 2009 Nat. Methods 6:359-62).

FASP kann man als universelles Werkzeug in vielen Zweigen der Proteomik einsetzen. Das Anwendungsspektrum reicht von Untersuchungen an mikrodissektierten Zellen aus klinischen Proben bis zu Studien von posttranslationalen Modifikationen, für die in der Regel große Proteinmengen nötig sind.

Jacek R. Wiesniewski
(Max Planck Institut für Biochemie, Martinsried)



Letzte Änderungen: 16.11.2009