Editorial

Tipp 164:
Günstige Alternative: Lebensmittel-Agar

Aus Rotalgen gewonnener Agar-Agar dient schon seit mehr als hundert Jahren als Geliermittel für Nährstoffplatten. Aber muss es immer teurer bakteriologischer Agar sein?

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wer die geniale Idee hatte, Agar-Agar für das Gießen von Nährstoffplatten zu verwenden? Nein, es war nicht Robert Koch, der bereits in den frühen 1880 Jahren begann, Bakterien auf Kartoffelscheiben oder Gelatine-Platten auszustreichen. Koch hätte vermutlich noch lange über seine Gelatine-Platten geflucht, die entweder bei Hitze zerflossen oder aber von Bakterienenzymen aufgelöst wurden. Wäre nicht eines Tages Kochs Assistent Walter Hesse beim Mittagessen die Gelees und Wackelpuddings seiner Frau Fanny aufgefallen, die auch bei heißem Wetter perfekt in Form blieben.

Fanny Angelina Eilshemius, so der Mädchenname von Fanny Hesse lernte ihren Mann in Dresden kennen, aufgewachsen ist sie aber in New York. Von dort brachte sie auch die Rezepte für ihre Agar-Gelees mit, die sie bei einem ihrer aus Indonesien stamenden New-Yorker Nachbarn abgeschaut hatte. Fanny Hesse konnte nicht nur gut kochen, sie war auch eine begabte Malerin. So fertigte sie zum Beispiel von den Organismen die Hesse unter dem Mikroskop beobachtete Zeichnungen an. Sie wusste daher von den Problemen mit den Gelatine-Platten und schlug ihrem Mann vor, Agar-Agar als Geliermittel für die Herstellung der Platten auszuprobieren. Das tat dieser schließlich auch und seither ist die Agarplatte nicht mehr aus den Laboren von Biowissenschaftlern wegzudenken.

Doppelt so teuer

Heute verwenden Forscher hochgereinigten bakteriologischen Agar für feste Nährmedien, der mehr als doppelt so teuer ist als Lebensmittel-Agar, der etwa 100 Euro pro Kilogramm kostet. Steve Petrovski und Daniel Tillet von der australischen La Trobe Universität fragten sich, ob die erheblichen Mehrkosten für den bakteriologischen Agar tatsächlich notwendig sind (S. Petrovski & D. Tillet, Anal. Biochem. 2012, 429, 140-1).

Dazu kultivierten sie 50 Bakterienspezies auf LB-, M9 Minimal und Pepton-Yeast-Medium-Platten, die entweder mit Lebensmittel-Agar oder bakteriologischem Agar gegossen wurden und verglichen Morphologie, Wachstumsraten und Vitalität der Kolonien. Die beiden Australier konnten hierbei keinen Unterschied feststellen. Die Durchmesser von auf LB-Platten gewachsenen Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus epidermis und Bacillus subtilis-Kolonien schauten sie sich unter einem Dissektions-Mikroskop genauer an. Auch hier fanden sie keinerlei Unterschied. Das gleiche Bild zeigte sich bei Versuchen mit M9 Minimal-Medium. Ein auxotropher Pseudomonas Stamm wuchs genauso wenig auf Platten mit Lebensmittel-Agar wie auf Platten mit bakteriologischem Agar.

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Erhebliches Einsparpotenzial

Die zwei Australier sind mittlerweile bei Routinearbeiten komplett auf Lebensmittel-Agar umgestiegen und haben in den letzten vier Jahren fünf Packungen (etwa 15 Kilo) von drei verschiedenen Lieferanten verbraucht und auch dabei keinen Unterschied festgestellt. Dennoch raten sie dazu, jede neue Charge Lebensmittel-Agar kurz zu testen, bevor sie für das Gießen von Nährstoffplatten verwendet wird. Dieser minimale Mehraufwand zahlt sich jedoch rasch in barer Münze aus.

Harald Zähringer






Letzte Änderungen: 15.11.2012