Editorial

Tipp 248: Gele ohne Trockenrisse

(18.04.2023) Gele, die nach dem Trocknen wie ein Kunstwerk aus blauen Keramikscherben aussehen, sind für die Archivierung nicht mehr ganz so gut geeignet. Mit einer optimierten Trocknungslösung kann man das Malheur vermeiden.

Scherben bringen Glück. Das mag man sich im Geheimen wünschen, wenn Porzellan zerdeppert – aber sicher nicht, wenn das Proteingel nur noch aus Bruchstücken besteht. So alt wie die Protein-Gelelektrophorese ist auch die leidige Geschichte von Brüchen während oder nach der Gel-Trocknung. Im schlimmsten Fall ähnelt das getrocknete Gel der Glasscheibe einer Bushaltestelle, die mit einem Hammer malträtiert wurde. Wer sein Experiment für die Ewigkeit erhalten will, macht vorsichtshalber vor der Trocknung ein Foto des gefärbten Gels, auch wenn die Banden da noch nicht so schön scharf sind. Man weiß ja nie.

Das Risiko zerbröselnder Gele steigt mit zunehmender Polyacrylamid (PA)-Konzentration, der Dicke des Gels sowie dessen Größe. Für die Zubereitung der Gel-Trocknungslösungen kursieren diverse Protokolle, die meisten setzen auf ein Gemisch aus Ethanol und Glycerin. Getrocknet wird das Gel entweder unter Vakuum in einem beheizbaren Trockner oder an der Luft, indem das Gel zwischen zwei poröse, Luft-durchlässige Cellophan-Blätter gelegt und in einen Rahmen gespannt wird.

Rafael Pérez-Ballesteros Gruppe an der Texas A&M University-Kingsville war mit keinem der Protokolle wirklich glücklich und machte sich unter Federführung des Erstautors Kristan Gomez auf die Suche nach einer zuverlässigeren Methode für die Gel-Trocknung (Biotechniques 74: 113-18).

Provozierte Risse

Seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bewaffneten sich mit Cellophan-Folien sowie Trocknungsrahmen und inkubierten zehnprozentige PA-Gele mit einer Dicke von 1,5 Millimetern nach der fünfzehnstündigen Coomassie-Färbung systematisch in verschiedenen Ethanol-Glycerin-Mischungen. Mit der Pinzette oder durch seitliches Anschneiden führten sie kleine Macken in die Gele ein, die während der Trocknung Brüche provozieren oder sich ausdehnen sollten.

In einer Mischung aus 40 Prozent Glycerin und 20 Prozent Ethanol getrocknete Gele überlebten im Trocknungsrahmen zwar einen Tag unbeschadet, fielen aber beim Ausspannen entzwei. Mit der vom Hersteller der Trocknungsrahmen empfohlenen Lösung aus 10 Prozent Glycerin und 20 Prozent Ethanol brachen die Gele schon während der Trocknung. Halbwegs glimpflich kamen sie in einer zwanzigprozentigen Ethanol-Lösung ohne Glycerin davon. Ein kleinerer Riss entstand beim Trocknen, verschlimmerte sich aber nach dem Ausspannen nicht weiter.

So etabliert Glycerin in Trocknungslösungen für PA-Gele sein mag, so sehr muss man es angesichts dieser Beobachtungen hinterfragen. Wenn schon eine zwanzigprozentige Ethanol-Lösung zu beinahe rissfreien Gelen führt, könnte dann eine höherprozentige nicht noch effektiver sein? Die Texaner konnten diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantworten, nachdem sie einige Gele in zwanzig- oder vierzigprozentigem Ethanol ohne Glycerin getrocknet hatten. In vierzigprozentigem Ethanol traten keine Risse auf, selbst wenn die Gele 15 Prozent PA enthielten und 1,5 Millimeter dick waren. Auch größere Exemplare mit Kantenlängen von 15,4 x 13,1 Zentimetern blieben heil.

Das Protokoll der Gruppe eignet sich für SDS-haltige und native Gele. Die Gele werden zunächst eine Stunde in der Trocknungslösung inkubiert. Je nach Zusammensetzung der Lösung schrumpfen sie ein wenig. In vierzigprozentigem Ethanol am stärksten, zum Beispiel von der ursprünglichen Größe von 5,7 x 8,7 Zentimetern auf 4,5 x 7,1 Zentimeter. In einer Mischung aus zehn Prozent Glycerin und zwanzig Prozent Ethanol jedoch nur um wenige Millimeter, in zehnprozentigem Glycerin dehnen sie sich aus.

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SDS-PAGE-Gele getrocknet in 10 Prozent Glycerin (l.), 10 Prozent Glycerin und 20 Prozent Ethanol (m.) sowie 40 Prozent Ethanol. Foto: Gomez et al.

Besser ohne Glycerin

Die Gele werden anschließend zwischen zwei nasse Cellophan-Blätter gelegt und bis zu 72 Stunden eingespannt an der Luft getrocknet. Dass die Gele in vierzigprozentigem Ethanol ohne Brüche trocknen, erklären sich die Forscher und Forscherinnen durch das starke Schwinden der Gele vor dem Trocknen. Heikel wird es nach ihrer Meinung, wenn die Gele während der Trocknung schrumpfen. Gele, die in vierzigprozentigem Ethanol schon gehörig Flüssigkeit verloren haben, sind diesem Risiko deutlich weniger ausgesetzt. Glycerin gänzlich wegzulassen, hat einen weiteren Vorteil, denn es hält die Feuchtigkeit und verzögert den Trocknungsprozess damit nur unnötig.

Luftblasen im Gel sollte man sowieso tunlichst vermeiden. Wer sie partout nicht wegbekommt, kann sie mit der Methode entfernen, die im Artikel „Löcher gegen Trockenrisse“ auf LJ online (17.02.2021 - Link) beschrieben wird. Die Trockenlösung besteht hier aus 65 Prozent Methanol und 0,5 Prozent Glycerin, die Trocknung findet in einem selbst gefertigten Lochplattentrockner statt, der Blasen noch während der Trocknung eliminiert.

Andrea Pitzschke