Editorial

Tipp 79:
"Wasser in den Zentrifugenwein-
Eine ausgewuchtete(!) UZ kann in bestimmten Fällen zerknallen!" -
Höhere Zentrifugen-Geometrie, Teil IV


Nach zwei Beiträgen zur eleganten Zentrifugen-Bestückung meldet sich nun ein Ingenieur zu Wort und zieht unbedachten Biowissenschaftlern die Ohren lang. Denn eine extrem hochtourig drehende Ultrazentrifuge könne man nicht einfach so mit popeligen Wald- und Wiesen-Zentrifugen gleichsetzen. Lesen Sie selbst:

"Sehr geehrte Redaktion, nachdem ich nach den letzten zwei Ausgaben des Laborjournals nun auch noch auf Ihrer Internetseite sehen konnte, wie Sie sich mit Begeisterung der "Höheren Zentrifugen-Geometrie" widmen (LJ 12/2004, Seite 57 sowie LJ 1-2/2005, Seite 61), fühle ich mich beinahe schon verpflichtet, ein wenig Wasser in Ihren Zentrifugenwein zu schütten.


Um es möglichst kurz zu machen, was mir bei diesem Thema etwas schwer fällt:

  1. Bei rotierenden - starren oder elastischen - Systemen unterscheidet man zwischen "Auswuchten" und "Rotationsstabilität".
  2. Bei einer Ultrazentrifuge (UZ) sind beide Effekte zu beachten; bei langsam laufenden Tischzentrifugen ("Eppifuge") reicht Auswuchten aus.
  3. Für einfache Untersuchungen der Rotordynamik einer UZ reicht es aus, den Rotor als starr anzunehmen und außerdem die Drehachse als eine Hauptachse des Rotors zu vermuten.
  4. Alle gleichmäßigen Probenanordnungen mit drei und mehr Symmetrieachsen verhalten sich sowohl hinsichtlich der Unwucht als auch der Stabilität "mechanisch rund"; d.h. auch jede Überlagerung von Anordnungen mit jeweils drei und mehr Symmetrieachsen sind "mechanisch rund". Deswegen dürfen sie auch beliebig gegeneinander verdreht angeordnet werden. Also sind alle symmetrischen Anordnungen der regelmäßigen Dreiecke, Vierecke, Fünfecke, etc. und ihre Überlagerungen auch bei einer UZ unproblematisch, solange Annahme 3. gilt.
  5. Ein "Zweieck" hat nur zwei Symmetrieachsen und ist NICHT mechanisch rund; auch wenn es ausgewuchtet ist! Eine ausgewuchtete UZ, die eine Zweieranordnung enthält, kann instabil werden ("Zerknallen")! Damit ist auch zum Beispiel die Anordnung 2+3 bei einer 24-iger UZ NICHT stabil!!


Fazit: Besonders gefährlich sind Geräte zu bedienen, bei denen in den überwiegend meisten Fällen nichts passieren kann, aber leider doch und auch vorhersehbar in einigen wenigen!

Aber wie sagte doch Ihr letzter Leserbriefschreiber?

"Welch Kleinmut!"

Das ist wie bei den Nebelrasern: Bei Tausenden passiert nichts.


Was ich vor einiger Zeit auch noch gefunden habe, ist die VBG 7z von 1995. Was das ist? Das ist die Unfallverhütungvorschrift "Zentrifugen" der Berufsgenossenschaft. In dieser Vorschrift ist auch genau (§2, Abs. 15) definiert, was in Deutschland eine "Laborzentrifuge" von einer "Ultrazentrifuge" unterscheidet: Ab einer Umfangsgeschwindigkeit (des Probenhalters) von 300m/s wird aus einer LZ eine UZ. Die Drehzahl des Rotors ist nicht entscheidend.

Aber in dieser Vorschrift habe ich auch etwas Beruhigendes gefunden: Nach §20 (Meldepflicht) muss man niemanden informieren, wenn nach der Explosion einer UZ zwar das Lab verwüstet ist, aber niemand verletzt wurde! Lesen Sie selbst:


§20 Meldepflicht

(1) Der Unternehmer hat der Berufsgenossenschaft und der zuständigen Arbeitsschutzbehörde Zerknalle von Rotoren sowie andere bleibende Verformungen von Teilen einer Zentrifuge oder Explosionen in der Zentrifuge unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt auch dann, wenn Personen nicht verletzt worden sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Zerknalle von Rotoren an Zentrifugen mit fangenden Schutzeinrichtungen, wenn diese ihre bestimmungsgemäße Aufgabe erfüllt haben und Personen nicht gefährdet oder verletzt worden sind.

In (2) steht nicht, dass die "fangenden Schutzeinrichtungen" am Ort bleiben müssen, wenn Sie ihre Aufgabe erfüllt haben.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Schlegel
(Technische Universität Hamburg-Harburg,
Mechanik & Meerestechnik)"






Letzte Änderungen: 08.04.2005