Editorial

Wirkstoff des Monats: Pelabresib

von Karin Hollricher (Laborjournal-Ausgabe 4, 2024)


Symbolbild Wirkstoff des Monats

(24.04.2024) Das kleine Molekül Pelabresib ist ein Inhibitor, der die Funktion des BET-Proteins Brd4 beeinträchtigt. Die Firma Morphosys in Planegg bei München, ein Dinosaurier der deutschen Biotech-Szene, gab kürzlich bekannt, dass Pelabresib in Kombination mit dem Wirkstoff Ruxolitinib sich günstig auf Myelofibrose auswirkt. Dies ist eine seltene und lebensgefährliche Erkrankung des hämatopoetischen Systems, bei der die Bildung von roten Blutkörperchen und anderer Blutzellen vermindert ist.

Menschen haben vier Brd-Proteine, die jeweils zwei BET-Domänen enthalten. BET steht für Bromodomain and Extraterminal Domain. Diese Moleküle sind effektive Regulatoren der Transkription und wirken beispielsweise auf den Zellzyklus. Vielfach wurde beschrieben, dass sie eine ganze Reihe von Krebsformen fördern.

Editorial

Brd-Proteine lagern sich mittels ihrer BET-Domänen an die acetylierten Lysine von Histonen, die an Chromatin gebunden sind. Daraufhin rekrutieren sie verschiedene Faktoren, die die Transkription des Gens, an dem diese Histone sitzen, aktivieren. Ihre Wirkung entfalten Brd-Proteine also über einen epigenetischen Mechanismus.

Pelabresib
Pelabresib. Formel: PubChem

Brd4 hat eine Vorliebe für Promotoren- und Enhancer-Regionen und fördert dadurch beispielsweise die Transkription von Onkogenen wie MYC und BCL2. Infolgedessen ist es nur allzu verständlich, dass Brd4-Inhibitoren als Kandidaten für Krebstherapeutika gelten.

Die Krebserkrankung Myelofibrose wird meist durch somatische Mutationen in den Genen JAK2, CALR oder MPL ausgelöst und endet unbehandelt tödlich. Aktuell erhalten Patienten einen Inhibitor der Kinasen JAK1 und JAK2. Auf die Wirkung dieser JAK-Hemmer scheint die im letzten Jahrzehnt beobachtete längere Lebensdauer der Patienten zurückzugehen (Cancer, 128(8): 1658-65).

Morphosys testete Pelabresib in Kombination mit dem JAK-Hemmer Ruxolitinib in einer klinischen Phase-3-Studie. Die Patienten bekamen entweder die Kombinationstherapie oder Ruxolitinib mit Placebo. Ergebnis laut Mitteilung von Morphosys nach 24 Wochen Behandlung: Die Vergrößerung der Milz ging unter der Kombinationstherapie deutlicher zurück als mit Ruxolitinib alleine, 65,9 % vs. 35,2 %. Da die Bildung von Blutzellen im Knochenmark gestört ist, findet sie verstärkt in der Milz statt, was sie anschwellen lässt. Ein Rückgang der Schwellung wird daher als Verbesserung des Krankheitsbildes gewertet.

Als zweites Ziel der Studie hatte Morphosys eine Verbesserung der Symptome der Betroffenen angegeben. Über alle teilnehmenden 430 Patienten hinweg zeigte sich kein statistisch signifikantes Ergebnis. In der großen Untergruppe der Patienten mit mittlerem Risiko allerdings schon. Die Schwere der Erkrankung wird nach dem Grad der Blutarmut und der Knochenmarksfibrose, der Höhe des Hämoglobinwerts und der Häufigkeit einer Transfusion mit roten Blutkörperchen bewertet. Diese Eigenschaften verbesserten sich deutlicher im Studien-Arm der Kombinationstherapie.

Die Hämatologin Claire Harrison meint, diese Therapie könne zum neuen Standard bei der Behandlung von Myelofibrose werden. Harrison ist klinische Direktorin am Guy’s and St. Thomas’ Hospital, einer Klinik in London, die an der Manifest-2-Studie teilnahm (Future Oncol, 18(27): 2987-97).

Künftig wird allerdings der Pharmakonzern Novartis die Weiterentwicklung und klinische Prüfung von Pelabresib betreiben – vor kurzem kündigte er die Übernahme von Morphosys an. Auf LJ online erzählen wir im Artikel „Wirkstoff wechsel dich“ vom 7.3.2024 (Link)noch einmal die Geschichte von Morphosys, die 1992 begann – und nun endet.